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Kommentar: Udo Beyer und das Doping in Ost und West

Doping in der DDR ist ein offenes Buch, in der Bundesrepublik ist es ein Tabu. Christian Hönicke kommentiert die Doppelmoral in der aktuellen Dopingdebatte.

Von Christian Hönicke

Pikiert zeigen wir auf Spanien, wo man dem Dopingdoktor Fuentes lieber keine detaillierten Fragen stellt, aus Angst vor der Wahrheit über die Triumphe der Sporthelden. Dabei läuft es hier genauso ab: Doping in der DDR ist ein offenes Buch, in der Bundesrepublik ist es ein Tabu. Wer käme schließlich auf die Idee, Michael Groß oder Ulrike Meyfarth einfach mal so danach zu fragen?

Dann lieber Udo Beyer. Der Kugelstoßer räumte im Berlinale-Film „Einzelkämpfer“ ein, bei seinem Olympiasieg 1976 gedopt gewesen zu sein. Beyer ist einer der ersten ganz Großen des DDR-Sportsystems, der das Schweigen bricht, wenn auch nicht, ohne zu bagatellisieren. Andere aber streiten noch immer ab oder hüllen sich trotz eindeutiger Hinweise in Stille, von Marita Koch bis Kristin Otto. Dass Beyer fast 40 Jahre danach endlich bestätigt, was zahllose Studien über das DDR-Sportsystem ohnehin nahe legen, ist immerhin ein Anfang bei der Suche nach der ganzen Wahrheit.

Dazu gehört aber auch die Hälfte, die noch weitgehend im Dunkeln liegt: das Doping in der Bundesrepublik. Durch Beyers Bekenntnis, so begrüßenswert es ist, verfestigt sich aber auch der Eindruck wieder etwas mehr, das unerlaubte Nachhelfen sei nur ein Problem eines deutschen Staates gewesen, der glücklicherweise nicht mehr existiert. Dabei sind auch die Triumphe des Westens höchst umstritten, wie erste Studien zur Rolle des Bundesinstituts für Sportwissenschaft und der Freiburger Sportmedizin belegen. Doch weitere Ermittlungen werden bisweilen massiv behindert, wie die Wissenschaftler beklagen. Erst wenn diese doppelte Dopingmoral verschwindet und wenn nicht nur den Beyers und Kochs unangenehme Fragen gestellt werden – dann dürfen wir pikiert auf Spanien zeigen.

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