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Hier könnte Ihr Name stehen. Bis 2001 hieß die Spielstätte des Hamburger SV noch Volksparkstadion, dann nach einem Umbau AOL-Arena, ab 2007 HSV Nordbank Arena und seit vier Jahren Imtech Arena.

© Imago, Montage: Sabine Miethke

Kommerz im Fußball: Im Stadionnamen des Geldes

Absurde und ständig wechselnde Stadionbezeichnungen ärgern Fußballfans. Doch bei Sponsoren und Vereinen scheint langsam ein Umdenken stattzufinden.

Zu Beginn ein kleines Quiz: Wie heißt derzeit die Arena des Hamburger SV offiziell? Welcher Sponsor ergänzt den Namen Rhein-Neckar Arena der TSG Hoffenheim? Hannover 96 spielt in der ... Arena? Wie heißt das Stadion des SC Freiburg in dieser Saison? Auflösung später.

Johannes Rapp weiß, wie sein Stadion heißt und wie es heißen sollte. „Für Eintracht-Fans ist und bleibt es das Waldstadion“, sagt Rapp. Frankfurt spielt aber offiziell in der Commerzbank-Arena, Rupps Verein Nordwestkurve würde es gerne wieder umbenennen. Der Fanklub sammelte Mitte September gut 250 Lottoscheine, um mit dem Gewinn die Namensrechte zurückzukaufen. Die Fans erspielten mit der Aktion: 384,20 Euro. Ein Angebot gaben sie trotzdem ab, 384,20 Euro für einen Spieltag Waldstadion. Es könnte nicht ganz reichen.

Und doch verändert sich gerade etwas an den Lettern auf den Stadiondächern. Nach einem Bericht der Zeitung „Marca“ will Real die Namensrechte am Stadion Santiago Bernabéu für eine halbe Milliarde Euro an das Emirat Abu Dhabi verkaufen. Eine bemerkenswerte Summe, wenn man bedenkt, dass es nur ein halber Stadionname wäre: „Abu Dhabi Santiago Bernabéu.“ Eine verwirrende Bezeichnung für einen Bau in Madrid, aber es würde den Vereinspatron nur halb entehren. Der SC Freiburg, um gleich eine Quizfrage zu klären, ist da geografisch geschickter und nennt sein Stadion künftig: Schwarzwald-Stadion. Was nach Heimatverbundenheit klingt, ist in Wirklichkeit etwas komplexer.

Früher war es einfach. Stadien waren meist geografisch benannt, nach Straßen, Parks, Flüssen oder historisch. Das symbolisierte Verbundenheit zur Region, war aber neutral genug, um es mit mit eigenen Erlebnissen und Emotionen zu füllen. Dass Sportarenen nach Sponsoren benannt werden, gibt es in USA seit den dreißiger Jahren. In Deutschland war die Umsetzung zaghaft, für Aufsehen sorgte erst der Hamburger SV, als der Klub 2001 das umgebaute Volksparkstadion AOL-Arena taufte. Mittlerweile ist die Bundesliga im Namenssponsoring europaweit führend, 14 der 18 Erstligastadien tragen Unternehmensnamen. 2012/13 nahm die Bundesliga 45,8 Millionen Euro für Stadionnamen ein, mehr als doppelt so viel wie die Premier League (19,5 Millionen Euro).

Frankfurter Fans spielten Lotto, um den Arena-Namen zu kaufen

In den Volksmund sind Namen wie HDI-Arena in Hannover oder Wirsol Rhein-Neckar Arena aber nicht eingegangen. Fußballfans, nicht nur Ultras, vermeiden die neuen Namen oft. Fernsehsender wie Sky verwenden sie, auch wenn es da keine Verpflichtung gebe, wie der Sender sagt. Die meisten Printmedien – wie auch der Tagesspiegel – verwenden sie nicht in ihrer Berichterstattung, um Werbung vom redaktionellen Teil zu trennen.

Auch in Frankfurt spricht die Mehrheit der Fans weiter vom Waldstadion. „Der Name ist ein Stück Identität, auch für Frankfurter, die sich gar nicht für Fußball interessieren“, sagt Johannes Rapp vom Verein Nordwestkurve, „es fühlt sich komisch an, da ein neues Etikett draufzukleben, der gelb leuchtende Schriftzug auf dem Dach ist fast schon unwirklich.“

Für die Vereine ist die Zusatzeinnahme natürlich willkommen, zumal man „sie später nicht an Banken zurückzahlen muss“, sagt Andreas Ullmann. Er arbeitet für die Agentur Repucom, ehemals Sport + Markt, die über 50 europäische Arenen bewertet und 20 Klubs bei Vertragsabschlüssen beraten hat. Gerade deutsche Vereine benutzten Stadionsponsoren, um die vielen Arenen abzubezahlen, die rund um die WM 2006 gebaut oder umgerüstet wurden. Ein willkommener Zuschuss in Zeiten, in denen Kommunen kaum noch mitfinanzieren und als Kredite teuer waren.

Aber was haben Unternehmen davon, einen Stadionnamen zu kaufen, den keiner benutzt? „Vielen Unternehmen geht es primär gar nicht darum, die nationale oder internationale Bekanntheit zu steigern“, sagt Ullmann. Da seien Trikot- oder Bandenwerbung weitaus effektiver. „Sie wollen vielmehr Commitment in ihrer Region zeigen.“ Über 85 Prozent der Rechteinhaber kämen aus der Region. Medial mag der Stadionname untergehen, aber nicht vor Ort. Da ist Leuchtschrift auf einem Wahrzeichen am Autobahnkreuz ein sichtbarer Vorteil. Leblose Produkte wie Versicherungen sollen emotional aufgeladen werden. Aber viele Firmen wollen auch nur Geschäftskontakte im Logenbereich pflegen. „Am besten funktioniert es aber, wenn Unternehmen im Stadion ihr Know-how vorführen können“, sagt Ullmann. Deswegen liefern viele Energie-Unternehmen auch gleich den Stadionstrom. Echte Unterstützung bei neuen teuren Arenen akzeptieren Fans leichter. Die Allianz Arena in München hieß eben nie anders. Die Versicherung überweist dafür bis 2021 jährlich sechs Millionen Euro an den Bestverdiener FC Bayern. „Schwierig wird es, wenn sich ein Name über Jahrzehnte eingebrannt hat und Traditionalisten das Gefühl haben, ihnen wird etwas weggenommen“, sagt Ullmann. Vor allem, wenn gar kein Neubau finanziert wird und der Name alle paar Jahre wechselt. „Namensrechte-Partnerschaften tragen sich oftmals erst nach drei bis fünf Jahren und entfalten dann ihre Wirkung“, sagt Ullmann.

Das Olympiastadion in Berlin ist ein Sonderfall

Der HSV hat schon den dritten Arenentitel montiert, auf HSH Nordbank folgte Imtech Arena, um eine weitere Quizfrage zu beantworten. In der Austauschbarkeit scheint sich die sportliche Konzeptlosigkeit des HSV zu spiegeln. Auch wenn ein Mädchen damals in einem Fernsehbeitrag bekannte: „Für mich wird es immer die AOL-Arena bleiben.“

Die Sponsorennamen kommen nicht bei allen Fans so gut an, in Umfragen ist stets eine Mehrheit dagegen. Besonders wenn der Name unglücklich gewählt ist. Playmobil-Stadion oder Trolli-Arena, das demütigte Fürther Fans eher. Glücksgas-Stadion in Dresden, das war eher heikel. Mittlerweile tragen beide Arenen die Platzhalternamen Stadion am Laubenweg und Stadion Dresden, bis ein neuer Sponsor gefunden ist. Der 1. FC Nürnberg, wo Fans den Namen Max-Morlock-Stadion fordern, entschied sich gerade so gegen Hochtief als Namenssponsor, was bei einem Fahrstuhlklub ungute Assoziationen ausgelöst hätte. Doch mittlerweile hat ein Umdenken stattgefunden, bei Vereinen und Unternehmen. Er stelle in Gesprächen fest, dass die Unternehmen keine Negativberichterstattung mehr wollten, die Fans einbinden möchten, berichtet Ullmann. Da hätten auch die sozialen Netzwerke und Shitstorms in den letzten Jahren viel geändert. Ein Trend gehe zu softeren Varianten wie Mischnamen oder gesponserten Tribünen. Siehe Abu Dhabi Santiago Bernabéu. Die Frankfurter Fans verweisen auf den SV Darmstadt 98, dessen Stadion nun Merck-Stadion am Böllenfalltor heißt. „XY-Arena im Waldstadion würde positiver wahrgenommen“, glaubt Rapp. Dass ein Sponsor im Namen fast unvermeidlich ist, damit hat er sich wie viele Fans abgefunden. „Das Rad lässt sich leider nur noch schwer zurückdrehen.“

Oder doch? In Braunschweig geben fünf Unternehmen Geld, damit die Fans weiter ins „Eintracht-Stadion“ gehen können. Hinter dem neuen Namen Schwarzwald-Stadion in Freiburg verbirgt sich die Schwarzwald Tourismus GmbH, die zusammen mit weiteren Sponsoren aus der Region einen Namen finanziert, der zumindest gut klingt.

Der einzige Bundesligist, der derzeit keine Gedankenspiele für einen Stadionsponsor hegt, ist Hertha BSC. Das Berliner Olympiastadion ist ein Sonderfall, weil es unter Denkmalschutz steht und dem Land gehört. „Das Olympiastadion ist eine eigene Marke von hoher Qualität“, sagt Stadiongeschäftsführer Joachim Thomas. Die Historie des Stadions macht eine Umbenennung schwierig, zieht aber auch eine Menge Touristen an. Ein Stadionname ist selbst eine Marke, die oft mehr wert ist als ein paar Hunderttausend Euro Sponsorgeld im Jahr.

Auf das Angebot über 384,20 Euro haben die Frankfurter Fans noch keine Antwort erhalten. Aufmerksamkeit gab es, der Stadionbetreiber hat sie zum Gespräch geladen, aber der Rechteinhaber Commerzbank will es nicht kommentieren. Ein Jackpot hätte die Türen vielleicht geöffnet. Beim Stadionquiz gewinnt man eben doch noch leichter als beim Lotto.

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