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Sport: Kommt mir nicht zu nahe

Das Fernsehen präsentiert Langlaufen intensiv wie nie – die Athleten gewöhnen sich nur schwer daran

Sein erster Weg führte den Langläufer Axel Teichmann in die Wachshütte im Zielbereich. Dort saß er zwischen 120 Paar Skiern, Wachsgeräten sowie Pin-up-Postern und atmete den süßlichen Geruch von Paraffin ein. Ein seltsamer Ort, um eine Medaille zu feiern und seine Gefühle zu ordnen, aber ein Ort, an dem sich der Langläufer heimisch fühlt. Draußen vor der Holztür wartete das Ungewohnte auf Axel Teichmann: der Trubel.

Die deutschen Langläufer genießen bei der Nordischen Skiweltmeisterschaft in Oberstdorf eine öffentliche Aufmerksamkeit wie nie zuvor. „Daran müssen wir uns erst einmal gewöhnen“, sagte Jens Filbrich, der gestern nach der Silbermedaille mit der Staffel auch im Teamsprint gemeinsam mit Teichmann Zweiter wurde. Der 25 Jahre alte Sportsoldat absolvierte mal ein Praktikum beim ZDF, möchte später als Journalist arbeiten und hat vielleicht deshalb für die Ereignisse in den letzten Tagen Verständnis. „Wir haben jahrelang gearbeitet, um in der Öffentlichkeit zu stehen, jetzt müssen wir lernen, mit dem Druck umzugehen.“

Wie schwer der Umgang mit der Öffentlichkeit den deutschen Langläufern gefallen ist, ließ sich aus den Reaktionen nach dem Gewinn der ersten Silbermedaille entnehmen. Als Teichmann nach der Staffel aus der Wachshütte wieder herauskam, verweigerte er Wolfgang Nadvornik ein Interview. Der Sportmoderator des Bayerischen Rundfunks hatte sich in einer Live-Sendung von den Zuschauern mit den Worten verabschiedet. „Bis morgen, bis zur nächsten Langlauf-Pleite.“ Als nächstes sagte Teichmann zu den wartenden Printjournalisten: „Wir sind hier in Oberstdorf und nicht in Oberstdoof.“ Das wiederum war eine Anspielung auf eine Schlagzeile von „Bild“, das nach dem Zehnkilometerlauf die deutschen Skitechniker angegriffen hatte, weil sie das Material nicht optimal präpariert hatten. Demonstrativ dankte Teichmann bei der Siegesfeier am Donnerstag seinen Helfern. „Ohne unsere Skitechniker hätten wir den Erfolg nie erreicht.“ Teichmann relativierte allerdings später seine Medienkritik.

Es fällt den Langläufern nicht leicht, den Umgang mit einem Umfeld zu lernen, das vor drei Jahren noch nicht existierte. Die Erfolge der Athleten von Bundestrainer Jochen Behle haben das öffentliche Interesse geweckt und damit auch die Erwartungen. Die Weltmeisterschaft im eigenen Land schürte sie noch mehr. Umso härter schlug die Hoffnung nach den Misserfolgen der ersten Woche in Enttäuschung um. „Die Kritik war zum Teil unter der Gürtellinie“, sagte der Langläufer Andreas Schlüter.

Der Druck ist wohl auch deshalb so hoch, weil die Fernsehsender ARD und ZDF bei dieser WM einen Aufwand wie nie zuvor bei Langlaufwettbewerben betreiben. 95 Kameras verfolgen das Geschehen in der Loipe. Aus mehreren Perspektiven wird jeder Skatingschritt und Stockeinsatz gezeigt. Die ARD begleitete die Läufer in der ersten Woche sogar mit einem Skibob, auf dem der Reporter Gerd Rubenbauer saß und live seine Eindrücke schilderte. „Ich finde es grundsätzlich gut, was das Fernsehen hier macht“, sagte Bundestrainer Behle, „aber es darf nicht sein, dass der Sport behindert wird.“ Das aber ist beim Zehnkilometerlauf passiert, als der Skibob Rene Sommerfeldt in die Quere kam.

Nach den ersten Medaillengewinnen weicht die Anspannung allmählich der Versöhnung. Teichmann entschuldigte sich für seine ersten Reaktionen, die ARD räumte in einer Krisensitzung mit den Langläufern die Probleme aus. „Wir können einen Schlussstrich ziehen“, sagte Filbrich, „was war, ist Vergangenheit, wir schauen jetzt in die Zukunft.“

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