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Sport: Kompliziert verliert

Hertha findet beim 0:5 nicht die richtige Balance zwischen Kunst und Kampf

In einer Situation wie dieser gibt es eigentlich nur zwei Möglichkeiten: Entweder die Spieler sagen gar nichts, oder sie versuchen mit möglichst vielen Worten ihre Ratlosigkeit zu verschleiern. Malik Fathi erweiterte die Palette der Möglichkeiten, wie man auf eine 0:5-Niederlage angemessen reagieren kann, um eine dritte Variante. „Wir sind zurück auf dem Boden der Tatsachen“, sagte der Außenverteidiger von Hertha BSC. Dann verschwand er in der Kabine.

Es war eine überraschende Analyse, weil man Hertha bisher für eine sehr tatsächliche Mannschaft halten konnte, eine Mannschaft, die ihre Fähigkeiten realistisch einzuschätzen und ihre Stärken sehr zielgerichtet einzusetzen versteht. Doch mit dem 0:5 gegen Hannover, die bis dahin schwächste Heimmannschaft der Fußball-Bundesliga, haben die Berliner erfolgreich an ihrem Image gekratzt. „Das ist unser Problem: Wir wollen solche Spiele zu technisch spielen“, sagte Manager Dieter Hoeneß.

In ihren besten Momenten vereint die Berliner Mannschaft kämpferische Entschlossenheit mit spielerischer Leichtigkeit. Vielleicht war es kein Zufall, dass die Balance zwischen Kampf und Spiel gestört war, als Josip Simunic und Dick van Burik fehlten, die für Hertha nicht nur wegen ihrer Position in der Innenverteidigung so etwas sind wie das kämpferische Gewissen. Dieter Hoeneß widersprach diesem Einwand, der ihm zu sehr nach billiger Entschuldigung geklungen hätte. Richtig überzeugend geriet seine Argumentation allerdings nicht: „Wenn die beiden Spieler dabei gewesen wären und auch nicht gekämpft hätten …“ Ja, wenn sie nicht gekämpft hätten.

Die Berliner verfügen über einige begnadete Fußballer. Gerade die jüngeren Spieler besitzen einen übertriebenen Hang zur Kunstfertigkeit, und ohne das kämpferische Korrektiv verlieren sie sich sehr schnell in der Lust am ästhetisch anspruchsvollen Vortrag. Yildiray Bastürk, Herthas technisch bester Fußballer, ist in der Lage, Kunst und Kampf miteinander zu verbinden, zurzeit aber fehlt es ihm dazu an der körperlichen Konstitution. Bastürk ist nach seiner langen Verletzung immer noch nicht schmerzfrei. „Ich will endlich wieder Spaß haben“, sagte er.

Spiele wie das in Hannover tragen nicht gerade zum Lustgewinn bei. Bastürk verlor viele Bälle, selbst leichte Pässe landeten beim Gegner. „Wir haben nicht einfach gespielt“, sagte Pal Dardai. „Auf diesem Boden musst du so einfach spielen wie Hannover.“ Der Rasen sah aus, als hätte dort im Winter ein Panzerverband neue Kampfformationen einstudiert. „Da kannst du nicht technisch spielen“, sagte Hoeneß. „Da kannst du auch nicht übers Dribbling kommen. Der Gegner muss nur darauf warten, dass der Ball verspringt.“ In der Tat erkämpften sich Herthas Spieler im Mittelfeld einige Bälle – und verloren sie gleich wieder. „Wir haben von Anfang an die falschen Mittel gewählt“, klagte Trainer Falko Götz.

Sehr viel einfallsreicher waren die Beteiligten, als sie hinterher ihre Empfindungen in Worte auszudrücken versuchten: „Das war ein Spartag für uns alle“, sagte Götz, Dardai hatte „eine große Null“ gesehen, was sich in etwa mit der Wahrnehmung von Dieter Hoeneß deckte: „Das war gar nichts.“ Malik Fathi sprach von „einem Debakel“, und Kapitän Arne Friedrich packte alles in den treffenden Ausdruck „Scheißspiel“.

Dieter Hoeneß, immer auf der Suche nach dem Guten, war es nach der höchsten Niederlage seit 16 Jahren sichtlich unangenehm, überhaupt etwas Positives aus der Niederlage zu ziehen. „Das kann ein heilsamer Schock für die Rückrunde sein“, sagte er. Herthas Manager setzt auf die Lernfähigkeit der Mannschaft. Vor dem Training am Morgen nach dem Spiel tauchte er zwar in der Kabine auf, schon nach neun Minuten aber kam er wieder heraus. Trainer Götz hatte schon am Abend zuvor angekündigt, „kurz, aber heftig über das Spiel zu reden“, auf eine detaillierte Fehleranalyse verzichtete er: „Die würde bis Samstag dauern.“

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