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Tisch-Fußballer. Lasogga, Wagner, Allagui und Ramos (v. l.) kämpfen im Trainingslager um einen Platz im Team.

© City-Press GbR

Konkurrenzkampf: A-Promis in Herthas B-Elf

Hertha BSC hat ein Luxusproblem: Weil einige lange verletzte Spieler ihre Blessuren auskuriert haben und ins Team zurückkehren, muss Trainer Jos Luhukay in den kommenden Wochen schmerzhafte Entscheidungen treffen.

Änis Ben-Hatira beugte sich vornüber, er stützte sich mit den Händen auf den Oberschenkeln ab und atmete schwer. Für den Tunesier war es die erste Einheit in Herthas Trainingslager in Belek, eine ziemlich intensive noch dazu. Die Anstrengung stand ihm ins Gesicht geschrieben. Jos Luhukay musste ein bisschen schmunzeln. Er weiß ja, dass sich seine Wahrnehmung als Trainers von der Selbstwahrnehmung eines Spielers manchmal deutlich unterscheidet.

Änis Ben-Hatira ist wegen einer hartnäckigen Knöchelverletzung dreieinhalb Monate ausgefallen, erst seit ein paar Tagen trainiert er wieder mit der Mannschaft – und trotzdem geht er davon aus, in zwölf Tagen beim Jahresauftakt in Regensburg wieder für den Berliner Fußball-Zweitligisten auf dem Platz zu stehen. „Für einen Spieler kann es nie schnell genug gehen“, sagt Jos Luhukay, „aber einen langen Ausfall kann man nicht in zwei, drei Wochen einfach wegtrainieren.“

Die interessierte Öffentlichkeit sorgt sich gerade ein wenig um das Seelenheil von Herthas Trainer, der in den nächsten Wochen viele schmerzhafte Entscheidungen wird treffen müssen. Einerseits befehligt Luhukay eine funktionierende Mannschaft, die in der Liga seit 17 Spielen ungeschlagen ist und die Konkurrenz zuletzt zum Teil eindrucksvoll beherrscht hat; andererseits meldet sich gerade eine ganze Reihe prominenter Spieler als sporttauglich zurück, die alle für sich in Anspruch nehmen, in die Startelf zu gehören – und das am liebsten sofort.

„Von der Qualität her sind das alles potenzielle Erste-Elf-Spieler“, sagt Herthas Trainer. Und weil Maik Franz, Änis Ben-Hatira oder Pierre-Michel Lasogga auch noch ein großes Ego besitzen, sieht das besorgte Publikum schon Verwerfungen aufziehen: Neid und Missgunst könnten das funktionierende Gefüge gefährden. Luhukay hält diese Sorge für übertrieben bis unbegründet, die ganze Situation findet er großartig. „Das kann uns als Mannschaft noch mal einen Schub geben“, sagt er.

Herthas Trainer könnte schon bald nahezu jede Position doppelt besetzen

Herthas Trainer ist davon überzeugt, dass die Rückkehrer für das Unternehmen Wiederaufstieg noch wichtig werden. Aber das muss nicht sofort sein, sondern kann bei einigen durchaus noch ein paar Wochen dauern. Wenn die Berliner am Sonntag kommender Woche in Regensburg antreten, wird sich die Startelf kaum von der unterscheiden, die Mitte Dezember gegen den FSV Frankfurt gewonnen hat. Luhukay setzt auf die Mannschaft, „die eingespielt ist, die Konstanz hatte, Sicherheit hatte und monatelang auf einem hohen Niveau gespielt hat“.

Dass man solche Ansagen ernst nehmen sollte, hat der Holländer schon im Sommer bewiesen. Auch da gab es eine gewisse Ungeduld im Team, aber Luhukay ließ sich davon nicht beirren. Immer wieder hatte er gesagt, dass Spieler, die verspätet die Vorbereitung aufgenommen hätten, sich noch gedulden müssten; dass sie erst über die nötige Fitness verfügen müssten. Das gilt auch jetzt.

Bei den Rückkehrern sind zum Teil erhebliche Fehlzeiten angefallen: Peter Pekarik, der in Belek nur individuell trainiert, fehlt seit zwei Monaten. Maik Franz war vier Monate außen vor, Pierre-Michel Lasogga und Christoph Janker je acht, und Lewan Kobiaschwili ist durch seine Sperre sieben Monate ausgefallen. „In der täglichen Trainingsarbeit wird es darum gehen, diese Spieler immer mehr an ihre Bestform heranzubringen“, sagt Luhukay.

Wenn das der Fall ist, kann Herthas Trainer nahezu jede Position doppelt besetzen. Gerade im Sturm wird der Konkurrenzkampf mörderisch sein. Mit Adrian Ramos, Sandro Wagner, Sami Allagui und Pierre-Michel Lasogga bewerben sich vier gelernte Mittelstürmer um einen einzigen Platz. „Das ist schon Wahnsinn“, sagt Wagner. „Aber ich sehe das sportlich: Niemand kann sich ausruhen.“

Der Neuzugang war in der Hinrunde selbst ein Härtefall, nachdem sich Luhukay für Ramos als einzige Spitze entschieden hatte. Und trotzdem hat man von ihm allenfalls leisen Unmut vernommen. Der Stürmer lobt Luhukay sogar ausdrücklich für seine Mannschaftsführung: „Dass er alle zufrieden stellt, ist eine Kunst. Er bekommt das sehr gut hin.“ Wagner hat in den 19 Spielen bis zur Winterpause immerhin 18-mal auf dem Platz gestanden, manchmal nur für ein paar Minuten – und doch hat es ihm das Gefühl gegeben, wichtig zu sein. „Man muss eine klare Linie vorgeben, die die Spieler verstehen“, sagt Luhukay. Wagner hat er in einem ausführlichen Gespräch erklärt, warum es für ihn zu mehr aktuell nicht reiche. Sandro Wagner sagt, es sei ihm schwer, diese Erklärung zu akzeptieren, und doch respektiere er die Entscheidung des Trainers.

Mehr erwartet Jos Luhukay von seinen Spielern auch jetzt nicht. Weniger allerdings auch nicht.

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