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Sport: Kriegstanz der Angreifer

Die Bayern haben im nächsten Jahr Großes vor

Samuel Kuffour kannte keine Hierarchie, ob Chef oder nicht, egal. Bewaffnet mit einem gut gefüllten Weißbierglas schritt er entschlossen auf den Vorstandsvorsitzenden zu, und nur mit einem beherzten Antritt konnte sich der gelernte Stürmer Karl-Heinz Rummenigge in Sicherheit bringen. Wenige Stunden, bevor sich jene Szene am Samstag vor der Kabine des FC Bayern ereignete, war Kuffour offiziell verabschiedet worden. Man hätte also durchaus einigen Groll bei dem Ghanaer vermuten können, weil sich zuletzt keinerlei Verwendung mehr für ihn fand, doch in Wahrheit lag in seiner misslungenen Attacke nichts als kindliche Freude, die er später mit einer Neuauflage seines Hits „Wir wolle rot-weiße Trikot“ ergänzte.

Vielleicht lässt sich an dieser Ausgelassenheit eines Aussortierten am besten die Entwicklung der mannschaftsinternen Stimmung beim FC Bayern ablesen. Die Regie ließ am Samstag eigentlich nichts außer einem großen Spektakel zu, der Abschied vom Olympiastadion verlangte nach einem angemessenen finalen Akt. Doch die imposante Mischung aus Spielfreude und Eifer, die der FC Bayern beim sportlich bedeutungslosen 6:3 gegen Nürnberg demonstrierte, war in den Augen der Verantwortlichen mehr als glücklicher Zufall. „Wir haben im Moment eine Stimmung in der Mannschaft, so was habe ich schon seit Jahren nicht mehr erlebt“, sagte Manager Uli Hoeneß und erteilte daher all jenen eine Absage, die für die neue Saison prominente Einkäufe erwarten: Aus dieser positiven Atmosphäre könne man „die Kraft schöpfen, eine sehr gute Mannschaft zu entwickeln. Dafür brauchen wir keine Transfers.“

Es hat sich offenkundig ein erheblicher Fortschritt vollzogen bei den Bayern. Vor einigen Wochen noch erschöpfte sich der Münchner Teamgeist in Liebeserklärungen wie jenen, die sich Oliver Kahn und Willy Sagnol via Presse ausrichten ließen: Altherrenfußballer, giftete Kahn, worauf der Franzose erwiderte, er habe nicht die Zeit, sämtliche Schnitzer seines Torwarts aufzuzählen. Von Grüppchenbildung war die Rede, einzelne Medien wollten feine Risse im Mannschaftsgefüge geortet haben. Am Samstagabend führten indes alle in großer Geschlossenheit ihr Feiervermögen auf, nicht zuletzt mit einer eigenwilligen Darbietung, die Elemente aus afrikanischem Kriegstanz und bayerischem Schuhplattler verband. Ziemlich nüchtern wirkte dagegen die Botschaft, die Uli Hoeneß den Fans vor dem Rathaus zurief. „Ich hoffe, dass wir im nächsten Jahr mit einem anderen Titel hier stehen“, formulierte Hoeneß, und es war eindeutig, dass er damit nicht den Ligapokal, sondern die Champions League meinte.

Sollte es so weit kommen, würde sich gegebenenfalls auch Hoeneß der gängigen Kleiderordnung beugen, am Samstag verweigerte er sich wieder einmal der bayerischen Tracht, was ihm einen ernsten Rüffel von Mehmet Scholl einbrachte: Hoeneß habe nun mal Traummaße für die Lederhose. „Neunzig, sechzig, neunzig“, meinte Scholl – „am anderen Bein auch.“

Daniel Pontzen[München]

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