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Einmal Höhenflug und zurück. Björn Otto feiert seinen Rekord beim Springen in Aachen. Für den 34-Jährigen ist es der traumhafte Schlusspunkt einer erfolgreichen Saison. Foto: dapd

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Sport: Krönung in der Höhe

Björn Otto vollendet mit seinem Rekord über 6,01 Meter eine glanzvolle Saison, in der er das Image der Stabhochspringer aufpoliert hat.

Berlin - Aus den Boxen dröhnte „Eye of the Tiger“ von „Survivor“, große Scheinwerfer tauchten die schmale Laufbahn und die Stabhochsprunganlage in gleißendes Licht; die Zuschauer mussten quasi nur die Hand ausstrecken, da hätten sie sein Trikot berühren können. Irgendwie war auch Partytime am Mittwochabend auf dem Katschhof in Aachen, ein paar Purzelbäume vom Dom entfernt. Und im Lärm der Musik und des rhythmischen Klatschens von 5000 Zuschauern lief Björn Otto an, den härtesten Stab, den er je benutzt hatte, angehoben wie eine Lanze. Dann katapultierte er sich in die Höhe und überquerte die Latte so elegant, dass die nicht mal ansatzweise wackelte.

In diesem Moment war der Stabhochspringer Björn Otto in eine neue sportliche Dimension gesprungen.

6,01 Meter hatte er gerade überquert, sechs Meter sind für Stabhochspringer wie 70 Meter für Diskuswerfer. Die Grenze, die absolute Weltklasseathleten von Spitzenathleten unterscheidet.

Der Katschhof, die Nähe der Fans, die Emotionen, die Otto und die Zuschauer damit in direkter Nähe zueinander ausleben konnten, das war die passende Kulisse für diesen historischen Sprung. Auf „Youtube“ kann man diese Begeisterung noch mal aufsaugen. Björn Otto, der 34-Jährige, hatte den deutschen Rekord von Tim Lobinger um einen Zentimeter verbessert. 15 Jahre lang hatte Lobinger die Bestmarke, bis sich Otto in den Nachthimmel von Aachen katapultierte. Sein Trainer Michael Kühnke sank vor Begeisterung sogar auf die Knie. Kein anderer Athlet ist 2012 höher gesprungen als der Olympia-Zweite von Bayer Uerdingen/Dormagen. Erst 18 Athleten haben überhaupt jemals die Sechs-Meter-Marke überquert. Danny Ecker gehört auch dazu, aber ihm gelang das Kunststück in der Halle. Das zählt weniger als eine Freiluft-Höhe. „Es passte alles auf diesem schönen Platz, vor dieser einzigartigen Kulisse“, sagte Otto, „einfach traumhaft, das ist das Größte.“ Und das alles nach einer langen, anstrengenden Saison.

Da muss also ein 34-Jähriger mit heftiger Vorgeschichte kommen, um das Image der deutschen Stabhochspringer glanzvoll aufzupolieren. Das Image hatte gelitten durch große Sprüche, denen meist weniger gute Ergebnisse bei Freiluft-Highlights folgten. Und jetzt sorgt Otto innerhalb weniger Monate für die Medaillen. Silber bei der EM, Silber in London, Silber auch bei der Hallen-WM 2012.

Otto, ausgerechnet Otto. Der Mann, der in der Springerszene jahrelang die Rolle der tragischen Figur besetzt hatte. Im August 2011 stand er in Berlin am Breitscheidplatz und sagte: „Es ist zum Kotzen.“ Er hatte gerade ein PR-Springen vor dem Istaf absolviert und dreimal 5,82 Meter gerissen. Es war ein Satz, der für seine gesamte Situation stehen konnte. 2011 war er 5,80 Meter gesprungen, weit mehr als die WM-Norm, aber weil die Anlage nicht mit einem Lasergerät vermessen worden war, wurde die Höhe nicht anerkannt. Am Ende musste der Verband entscheiden, ob er Karsten Dilla oder Otto für die WM nominiert. Er entschied sich für Dilla. Noch ein Rückschlag also für Otto. Ihm lief die Zeit davon. 2009 hatte er einen Anriss der linken Achillessehne erlitten, 2010 diagnostizierten die Ärzte einen Riss in der rechten Sehne. Aber Otto gab nie auf.

Und jetzt? Er will Pilot werden, der Biologie-Student gibt im September auch noch seine Diplomarbeit ab. „Man muss natürlich auch irgendwann mal Geld verdienen“, sagte er beim Istaf. Andererseits: Soll er ausgerechnet jetzt seine Karriere beenden? „Ich war im Freien noch nie Weltmeister, auch nicht Europameister, nicht mal Deutscher Meister“, sagte er auch. Dann lächelte er: „Und die sechs Meter sind ja auch noch ein Thema.“

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