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Sport: Kult ohne Klasse

Jürgen Klopp wird in Mainz als Magier verehrt – doch seine Mannschaft ist nicht bundesligatauglich

Als Harald Strutz in den Innenraum schlich, den Kopf gesenkt, die Wangen eingefallen, atmete der Präsident des FSV Mainz 05 tief ein und pustete zweimal durch. Zur selben Zeit hatte sich Christian Heidel bereits an die verbale Aufarbeitung der Geschehnisse dieses Bundesliga- Freitags gemacht. Präsident und Manager im Schockzustand. Wie erklären, was sich da ereignet hatte: 1:6 (0:3) verloren, von Werder Bremen der Lächerlichkeit preisgegeben, obwohl ganz Mainz tagelang Parolen von der Wende ausgegeben hatte. „Wir haben gegen eine Übermannschaft verloren“, sagte Heidel und schüttelte sich. Frustbewältigung à la Mainz. „Im dritten Jahr unserer Bundesliga-Zugehörigkeit sind wir noch nie so chancenlos gewesen“, erklärte Heidel. „Wir haben aber auch noch nie gegen so eine starke Mannschaft gespielt.“ Was der Spitzenreiter hingezaubert habe, ergänzte Strutz später in seiner Lobrede auf den Gegner, „war Fußball von einem anderen Stern“.

Spätestens hier stutzte der neutrale Beobachter einer einseitigen Auseinandersetzung, in der sich ein Zwei-Klassen-Unterschied aufgetan hatte. Denn so eindrucksvoll auch die Bremer durch die je zwei Tore von Miroslav Klose und Aaron Hunt sowie Naldo und Diego siegten, so eklatant war auch das Mainzer Versagen. Man macht es sich am Bruchweg aber zu einfach, die fraglos vorhandene Stärke des Gegners allein für die unzähligen Schwächen anzuführen.

In den Fokus der Analyse rückt auch der in Mainz als Magier verehrte Trainer Jürgen Klopp, der sich tagelang einer überfrachteten Einpeitscher-Rhetorik bedient hatte, die nach nicht einmal einer halben Stunde als fauler Zauber enttarnt worden war, und der am Ende kleinlaut die Bremer für ihr „unmenschliches Selbstbewusstsein“ pries. Fakt ist, dass der TV-Experte, Taktik-Guru und Kult-Coach derzeit keine bundesligataugliche Mannschaft trainiert. Sicher kann Klopp für Abgänge wie Antonio da Silva, Michael Thurk oder Mohamed Zidan nichts, doch sicherlich haben ihre Nachfolger unter seinem Zutun noch nicht deren Klasse erreicht. Physisch (die überforderten Chadli Amri, Imre Szabics und Christof Babatz) und psychisch (die mit anderen Angeboten kokettierenden Verteidiger Nikolce Noveski und Manuel Friedrich) offenbarten seine Spieler frappierende Defizite, die auch Klopp in Erklärungsnotstand trieben. „Das ist der unschönste Tag hier seit langer Zeit: Wir haben so viel gewollt und nichts bekommen.“

Den bei der Jahreshauptversammlung praktizierten Schulterschluss mit Stadt und Fans würde er immer so wiederholen („Das war alles richtig: Die Zuschauer waren großartig“), dennoch sollte Klopp sein verbales Dauerfeuer in Klinsmann- Manier hinterfragen – solche Methoden verschleißen sich schnell. Klopp sagte ratlos: „Vor dem Spiel hatte ich ein sensationell gutes Gefühl. Aber dann war nur ansatzweise zu erkennen, was wir wollten.“ Und so räumte der 39-Jährige ein: „Ich sollte ab und zu darüber nachdenken, was ich sage.“ Speziell vor einem Spiel.

Beim Sieger war die Stimmungslage ganz anders: Eindrucksvoller hätte der Spitzenreiter seine derzeitige Ausnahmestellung nicht untermauern können. Und nebenbei fegte Miroslav Klose nach 797 torlosen Minuten alles Krisengerede mit zwei Treffern, zwei Torvorlagen und einer Topleistung beiseite. „Das 6:1 ist wichtiger, als dass ich wieder Kisten gemacht habe“, sagte der 28-Jährige, der allerdings einräumte, „dass es Zeit wurde zu treffen.“

„Unser Spiel strahlt eine enorme Sicherheit und großes Selbstbewusstsein aus: Das war noch souveräner und variantenreicher als beim 6:0 in Bochum“, sagte Sportchef Klaus Allofs, der von „einem rosaroten Freitag“ sprach. Thomas Schaaf belobigte seine Spieler dafür, „dass es jeden Tag Spaß macht, mit dieser Mannschaft zu arbeiten“. Disziplin und Konzentration, nicht immer Eigenschaften des Bremer Erlebnisfußballs, scheinen in dieser Saison die neuen Konstanten.

Dienstag in der Champions League bei Lewski Sofia soll der nächste Erfolg her, „auch da werden wir topmotiviert sein“, versprach Torsten Frings mit entschlossener Stimme, „es geht uns darum, dass wir am Ende der Saison etwas in der Hand haben.“ Was, steht für die meisten Mainzer bereits fest. Klopp und Heidel sagten: „Die werden Meister, jede Wette.“

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