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Sport: Kulturschock

Der 1. FC Union gibt beim 2:2 gegen RW Oberhausen in der Nachspielzeit den Sieg aus der Hand

Von Karsten Doneck, dpa

Berlin. Die Stimmung schlug in Bruchteilen von Sekunden um. Unter den Zuschauern, eben noch frohgemut und feierwillig, machte sich Bestürzung breit, einige verdrückten heimlich sogar ein paar Tränen. Leandro Simioni hatte den Leuten im Stadion an der Alten Försterei die Laune verdorben, und das gründlich. Der Brasilianer traf in der Nachspielzeit für Rot-Weiß Oberhausen beim 1. FC Union zum 2:2 (0:1)-Endstand. „Bitterer geht’s nicht“, stellte Thomas Sobotzik fest. Unions Spielmacher wusste nur zu gut: Der in letzter Minute verpasste Sieg verschlechtert die Lage seiner Mannschaft im Abstiegskampf beträchtlich. Sechs Punkte Rückstand hat Union zum rettenden 14. Tabellenplatz, nur drei Spielrunden stehen noch aus. Aus den Lautsprecherboxen im Stadion dröhnten die Toten Hosen: „Steh auf, wenn du am Boden bist.“ Und Jürgen Schlebrowski, der Präsident, gab schon mal vorsorglich den Hinweis: „Aus eigener Kraft können wir es nun nicht mehr schaffen.“

Die Köpenicker haben vor 7744 Zuschauern gegen Oberhausen ihr wohl bestes Saisonspiel geliefert. Dynamisch, druckvoll, kampfstark und konzentriert bestimmten die Gastgeber den Lauf der Dinge, gingen durch einen direkten, von Fredric Page getretenen Freistoß auch verdient in Führung. RWO wurde erst kurz vor der Pause erstmals gefährlich, Velichkov scheiterte da am Innenpfosten. Obwohl die Gäste, immerhin Tabellenvierter, nach dem Wechsel ein paar mehr Torchancen herausarbeiteten, schien Union die Führung über die Zeit zu bringen.

Bis sich in den letzten sechs Spielminuten die Ereignisse überschlugen. Erst überwand Andre Izepon Astorga Union-Torwart Wulnikowski mit einem Kopfball zum 1:1. Union schlug zurück. Der eingewechselte Salif Keita schaffte 120 Sekunden später unter dem ohrenbetäubenden Jubel des Union-Anhangs erneut die Führung. Doch dann kam Simionis Auftritt. Dass der späte Ausgleich nach einem Eckball fiel, machte zumindest Thomas Sobotzik fassungslos: „Das ist das sechste oder siebte Tor in letzter Zeit, das wir nach einer Standardsituation kassieren, das kostet immer Punkte.“ Auch Torwart Wulnikowski fiel aus allen Wolken. „Was da abläuft, das ist unglaublich“, schimpfte er.

Unions Trainer Aleksandar Ristic sah wenigstens auch noch die positiven Seiten. „Da war bei uns doch eine gewisse Fußballkultur zu erkennen“, sagte er. Dass Union unter Ristic jetzt den besseren, ansehnlicheren Fußball spielt im Vergleich zu dem unter Vorgänger Mirko Votava, schützt indes nicht vor dem Kulturschock: Die Mannschaft hat in nunmehr sechs Spielen unter Ristics Regie von 18 möglichen Punkten nur ganze vier geholt. Zu wenig, um die Klasse zu halten. Die Vereinsführung ist gut beraten, sofort mit der Planung für die Regionalliga zu beginnen. Jürgen Schlebrowski sagt: „Wir müssen jetzt erst mal die Trainerfrage klären. Ich denke, das haben wir innerhalb der nächsten 14 Tage erledigt.“ Ob Ristic weitermacht, ist fraglich. „Wenn der Verein gewisse Voraussetzungen schafft, dann muss man miteinander reden“, sagt Ristic. Der Trainer verlangt ein Konzept, das die Chance zum sofortigen Wiederaufstieg bietet. Schlebrowski denkt hingegen erst einmal an ein finanzielles Entgegenkommen des Trainers: „Ristic ist ein ausgezeichneter Trainer. Aber zu den Bedingungen, wie sie in der Zweiten Liga herrschen, ist er in der Regionalliga nicht zu bezahlen.“ Und die neue Mannschaft für die nächste Saison? Schlebrowski: „Wir haben genügend Spieler auf dem Zettel.“

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