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Das Rückspiel 2012 zwischen Fortuna Düsseldorf und Hertha BSC muss gleich mehrmals unterbrochen werden. Letztlich steigen die Berliner ab.

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Vor dem Duell zwischen Hertha BSC und dem HSV: Alles, was man zur Relegation wissen muss

Kobra, Karl-Heinz Emig und Kochlöffel: Vor den Partien zwischen Hertha BSC und dem Hamburger SV schauen wir auf besondere Spiele und interessante Zahlen.

An diesem Donnerstag steht das erste Relegationsspiel zwischen dem Erstliga-16. Hertha BSC und dem Zweitligadritten Hamburger SV an (20.30 Uhr Olympiastadion, live bei Sat.1 und Sky). Es geht darum, welcher der Klubs im kommenden Jahr in der Fußball-Bundesliga spielt und es ist die 14. Auflage seit der Wiedereinführung 2009. Zuvor hatte es bereits von 1982 bis 1991 Relegationsspiele gegeben. Hier ein Überblick in zehn Teilen über Kuriositäten, Fakten und besondere Spiele.

Dieter Herzog macht den Anfang

Bis Anfang der achtziger Jahre ermitteln die Vizemeister der beiden Zweiten Ligen den dritten Aufsteiger. Danach spielt die Zweite Liga eingleisig. Meister und Vizemeister steigen direkt auf, während der Dritte auf den Drittletzten von oben trifft – genannt Relegation. Das erste Duell lautet 1982 Kickers Offenbach gegen Bayer Leverkusen. „Wir müssen drei Tore vorlegen“, fordert Offenbachs Michael Kutzop vor dem Hinspiel.

Es fällt jedoch nur ein Tor, und das auch noch für die Gäste. „Der 35-jährige Senior und fünfmalige Nationalspieler“ (Tagesspiegel) Dieter Herzog, Weltmeister 1974, wird zum ersten Torschützen der Relegation. Bayer gewinnt auch das Rückspiel (2:1) und bleibt erstklassig.

Santiago Ascacibar ist gesperrt

Die Relegation mag ihre Eigenheiten haben; ein eigener Wettbewerb ist sie, zumindest den Statuten nach, nicht. Vielmehr ist sie die Fortsetzung der Meisterschaft mit anderen Mitteln. Im konkreten Fall heißt das, dass die Verwarnungen aus dem Ligabetrieb weiterhin zählen. Hertha muss deshalb am Donnerstag auf Santiago Ascacibar verzichten, der am Wochenende seine fünfte Gelbe Karte gesehen hat. Stevan Jovetic ist von einer Gelbsperre für das Rückspiel bedroht, so wie beim HSV Bakery Jatta und Mikkel Kaufmann.

Neu ist in diesem Jahr die Abschaffung der Auswärtstorregel – analog zu den Neuerungen im Europapokal. Während es zwischen 1982 und 1991 ebenfalls keine Auswärtstorregel gab, hatte sie seit 2009 gleich dreimal Einfluss auf den Ausgang. Der HSV (2014 gegen Greuther Fürth), der 1. FC Union (2019 gegen den VfB Stuttgart) und Werder Bremen (2020 gegen den 1. FC Heidenheim ) setzten sich nur deshalb durch, weil sie im gegnerischen Stadion häufiger getroffen hatten als ihr Gegner. Alle sechs Spiele endeten unentschieden.

Jürgen Wegmann rettet den BVB

In der Zeit vor der Auswärtstorregel gewinnt Zweitligist Fortuna Köln 1986 das erste Spiel gegen Borussia Dortmund 2:0. In Spiel zwei führt der Außenseiter vor 54.000 Fans im ausverkauften Westfalenstadion 1:0 durch Bernd Grabosch, ehe Michael Zorc in der 54. Minute einen umstrittenen Elfmeter für den BVB verwandelt. Kölns Torwart Jacek Jarecki hält danach überragend, mehr als das 2:1 durch Marcel Raducanu will dem BVB nicht gelingen. Bis zur 90. Minute. Dann trifft Jürgen, genannt „Kobra“, Wegmann – der bereits seinen Wechsel zum FC Schalke 04 zur neuen Saison bekanntgegeben hat – zum 3:1.

Erstmals in der Geschichte der Relegation kommt es also zu einer dritten Partie auf neutralem Platz. Stattfinden soll sie vier Tage später in Düsseldorf. Tut sie jedoch nicht. Dazu teilt der Spielausschuss des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) einen Tag vor der Begegnung mit: „Da Fortuna Köln unter Vorlage einer amtsärztlichen Bestätigung der Spielunfähigkeit von elf verletzten Spielern erklärte, nicht antreten zu können, blieb dem DFB keine andere Wahl, als das Spiel abzusetzen und auf einen noch zu bestimmenden Termin zu verlegen.“

Gespielt wird eine Woche später. Gut eine halbe Stunde lang steht es 0:0, am Ende heißt es 8:0 für Dortmund. „Wir haben eine starke Partie geboten. Die Fortuna hat früh resigniert“, sagt BVB-Coach Reinhard Saftig. Er bleibt 1990 auch mit dem VfL Bochum gegen den 1. FC Saarbrücken siegreich und ist damit der einzige Trainer, der zwei Mal in der Relegation triumphiert.

Uwe Zimmermann hält Waldhof Mannheim im Spiel

Im dritten Spiel zwischen dem SV Darmstadt 98 und Waldhof Mannheim fällt 1988 im Ludwigsparkstadion von Saarbrücken 120 Minuten lang kein Tor. „Beide Teams ließen jegliche Bundesligatauglichkeit vermissen. Konfusen Abwehrspielern standen biedere Stürmer gegenüber, denen bei den wenigen Möglichkeiten die Nerven versagten“, schreibt der Tagesspiegel.

Jürgen Wegmann (re.) überwindet Fortuna Kölns Torwart Jacek Jarecki in der 90. Minute. Damit kommt es 1986 zu einem dritten Spiel. Dieses endet 8:0 für den BVB.
Jürgen Wegmann (re.) überwindet Fortuna Kölns Torwart Jacek Jarecki in der 90. Minute. Damit kommt es 1986 zu einem dritten Spiel. Dieses endet 8:0 für den BVB.

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Im einzigen Elfmeterschießen der Relegationshistorie hat es Karl-Heinz Emig für Darmstadt auf dem Fuß. Der ehemalige Spieler von Waldhof und Hertha BSC muss nur noch treffen. Emig schießt flach und mittig, Torwart Uwe Zimmermann hält. Fünf Schützen später jubelt Mannheim über den Klassenerhalt. Noch ein weiteres Mal wird es ein Entscheidungsspiel geben: 1991 gewinnen die Stuttgarter Kickers in Gelsenkirchen 3:1 gegen den Bundesligisten FC St. Pauli. Inzwischen fällt die Entscheidung laut Modus immer in zwei Spielen.

Der Zweitligist hat meist das Nachsehen

So kann man sich täuschen. Als die Deutsche Fußball-Liga (DFL) im August 2007 die Wiedereinführung der Relegation beschließt, führt das nicht etwa zu einem Aufschrei der Entrüstung unter den Zweitligaklubs. Im Gegenteil. „Die Zweitligisten sind nach Angaben aus Verbandskreisen fast geschlossen für die Reform“, berichtet der Tagesspiegel. Heute sehen sie das vermutlich etwas anders. Denn de facto hat die Relegation dazu geführt, dass die Zweitligisten einen Aufstiegsplatz eingebüßt haben.

In 13 Versuchen seit 2009 konnte sich nur drei Mal der Zweitligist behaupten: Der 1. FC Nürnberg (2009), Fortuna Düsseldorf (2012) und Union (2019). Und als Holstein Kiel im Mai 2021 das Hinspiel beim 1. FC Köln mit 1:0 für sich entscheidet, ist das der erste Sieg eines Zweitligisten seit neun Jahren: seit Herthas 1:2 zu Hause gegen Düsseldorf. Dazwischen gab es für die Zweitligisten neun Unentschieden und acht Niederlagen. Auch zwischen 1982 und 1991 waren die Erstligisten klar im Vorteil: In zehn Duellen siegten sie sieben Mal.

Friedhelm Funkel ist sauer

Friedhelm Funkel steht an der Seitenlinie und breitet die Arme aus. Der Trainer des VfL Bochum ist schon ein bisschen ungehalten. Aber das ist noch gar nichts verglichen mit seiner Wut nach dem Spiel. Ausgelöst wird sie durch das, was exakt in Sekunde 17 nach Ablauf der angezeigten zweiminütigen Nachspielzeit im Borussia-Park zu Mönchengladbach passiert. Nach einem weiten Einwurf in den Bochumer Strafraum, nach viel Kuddelmuddel vor dem Tor des VfL und einer weiteren Rettungstat des an diesem Abend formidablen Torhüters Andreas Luthe trifft der eingewechselte Igor de Camargo im Hinspiel zum 1:0 für die Gladbacher.

Der Borussia-Park eskaliert, und selbst beim sonst so reservierten Schweizer Lucien Favre führt der Siegtreffer zu einer emotionalen Entladung. Borussias Trainer, erst seit drei Monaten im Amt, sprintet die Seitenlinie entlang, um sich der Jubeltraube seiner Spieler anzuschließen. Nach einem 1:1 im Rückspiel bleiben die Gladbacher tatsächlich in der Liga – und Lucien Favre triumphiert über Friedhelm Funkel, den Trainer, der ihn anderthalb Jahre zuvor bei Hertha BSC abgelöst hat.

Die Relegation als Sprungbrett für Europa

Die Relegation kann Fluch oder Segen sein. Und manchmal ein perfektes Sprungbrett. Seit 2011 gab es drei Vereine, die dank der Relegation erstklassig geblieben sind und sich nur ein Jahr später für Europa qualifiziert haben. Ganz aktuell ist das dem 1. FC Köln gelungen, der nächste Saison in der Conference League startet. Außerdem haben dieses Kunststück der VfL Wolfsburg geschafft (2019, Tabellensechster) und Borussia Mönchengladbach. Die Gladbacher qualifizierten sich 2012 als Tabellenvierter sogar für die Play-offs zur Champions League.

Die Relegation ist eine Extremerfahrung, die einen Verein prägen und eine Mannschaft stählen kann. Auch die positive Entwicklung von Eintracht Frankfurt hat ihren Anfang in der erfolgreichen Relegation (2016 gegen Nürnberg) genommen. Ein Jahr danach erreichte die SGE zwar nicht Europa, aber immerhin das Finale im DFB-Pokal.

Maximilian Beister hat es eilig

Das Rückspiel zwischen Düsseldorf und Hertha ist vor allem wegen der skandalösen Begleitumstände in Erinnerung geblieben. Eine Bestmarke hat dieses Spiel vor fast genau zehn Jahren am 15. Mai 2012 jedoch auch zu bieten. Ganz am Anfang nimmt Düsseldorfs Maximilian Beister den Ball unweit der Mittellinie auf, läuft sehr lange mit ihm und knallt ihn nach 24 Sekunden aus über 20 Metern ins Tor. So früh wie kein anderer in einem Relegationsspiel.

Waldhofs Towart Uwe Zimmermann hält 1988 den Elfmeter von Darmstadts Karl-Heinz Emig.
Waldhofs Towart Uwe Zimmermann hält 1988 den Elfmeter von Darmstadts Karl-Heinz Emig.

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Bereits im Hinspiel war eine besondere Zahl zu vermelden gewesen: 68.041 Zuschauer im Olympiastadion sind Zuschauerrekord in der Relegation.

Marcelo Diaz zirkelt den Ball rein

Unbestätigten Gerüchten zufolge ist Manuel Gräfe auch in dieser Saison wieder zum besten Schiedsrichter Deutschlands gewählt worden – obwohl er seine Karriere bereits vor einem Jahr beendet hat. Aber auch der beste Schiedsrichter ist nicht vor Fehlern gefeit. Das weiß Gräfe spätestens seit dem 1. Juni 2015, als er in der letzten Minute des Relegationsrückspiels zwischen dem Karlsruher SC und dem Hamburger SV ein Handspiel von Jonas Meffert mit einem Freistoß ahndet.

Was in realer Geschwindigkeit unstreitig erscheint, erweist sich bei genauerem Hinsehen als Fehlentscheidung. Der Ball hat nicht etwa den abgewinkelten Unterarm des Karlsruhers getroffen, sondern seinen angelegten Ellenbogen. Doch Gräfes Entscheidung steht.

Und natürlich kommt es, wie es kommen muss. Marcelo Diaz zirkelt den Ball zum 1:1 in den Winkel und rettet den HSV damit in die Verlängerung, in der er sich schließlich mit 2:1 den Klassenerhalt sichert. Eigentlich hatte Rafael van der Vaart den Freistoß schießen wollen. Doch Diaz hat andere Pläne. „Tomorrow, my friend, tomorrow“, soll er zu seinem Kollegen gesagt haben.

Das Freistoßtor von Marcelo Diaz bringt den HSV 2015 beim Zweitligisten Karlsruher SC in die Verlängerung.
Das Freistoßtor von Marcelo Diaz bringt den HSV 2015 beim Zweitligisten Karlsruher SC in die Verlängerung.

© imago/Eibner

Ob der Satz wirklich gefallen ist, wissen wohl nur die beiden Beteiligten. Van der Vaart hat später erzählt, er habe ihn zumindest nicht gehört. Aber: „Er ist angelaufen, hat ihn reingeschossen, alles gut.“ Es war – in 20 Pflichtspieleinsätzen – das einzige Tor, das Diaz für den HSV erzielt hat.

Die Bratpfanne hilft auch nicht

Juli 2020, wegen der Coronavirus-Pandemie finden die Spiele zwischen Zweitligist 1. FC Heidenheim und Werder Bremen ohne Fans statt. Einige Zuschauer sind trotzdem zugegen, und einer hat sich vorgenommen, für Stimmung zu sorgen. Sehr ausdauernd bearbeitet ein Mann mit einem Kochlöffel eine Bratpfanne.

Was bei einer großen Zahl derjenigen, die das Spiel via Dazn verfolgen, für eher wenig Erheiterung sorgt. Vor allem bei Twitter gibt es massenweise genervte Äußerungen. Geholfen hat Heidenheim die ungewöhnliche Dauerbeschallung nicht, Werder bleibt Bundesligist.

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