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Sport: Kurz vorm Ziel eingeholt

Jahrelang hat US-Sprintstar Marion Jones alle Dopingvorwürfe bestritten – jetzt ist sie offenbar überführt

Die mehrfache Olympiasiegerin Marion Jones ist nach jahrelangen Verdächtigungen nun offenbar beim Doping erwischt worden. Die US-amerikanische Weltklassesprinterin steht damit wohl vor ihrem Karriereende. Die Zeitungen „Washington Post“ und „Los Angeles Times“ meldeten am Sonnabend übereinstimmend, die A-Probe eines Test vom Juni zeige, dass Jones das verbotene Blutdopingmittel Epo eingenommen habe. Die Analyse der B-Probe stehe noch aus. Deshalb habe der US-Leichtathletikverband den Fall bisher nicht öffentlich gemacht.

Der Bericht gibt eine Erklärung für die überraschende Abreise der 30-Jährigen vom Leichathletik-Festival in Zürich am Freitag. Organisator Hansjörg Wirtz hatte nur gesagt, sie habe „aus persönlichen Gründen“ auf den Start verzichtet, nachdem sie einen Telefonanruf aus den USA erhalten habe. Jones habe bereits im Flugzeug nach Hause gesessen, als sie ihn informierte. Funktionäre des US-Verbandes USATF, des Nationalen Olympischen Komitees der USA (USOC) und der Anti-Doping-Agentur USADA lehnten Stellungnahmen bisher ab.

Die mutmaßlich positive Dopingprobe war bei den US-Meisterschaften in Indianapolis genommen worden, wo Marion Jones am 23. Juni den 100-Meter-Lauf gewonnen hatte. Allerdings gilt Epo (Erythropoietin), das die Zahl der roten Blutkörperchen und damit die Fähigkeit zur Sauerstoffaufnahme erhöht, eher als Modedroge von Ausdauersportlern. In den USA rätselt man, welchen Vorteil sich die Kurzstreckensprinterin von dem Mittel versprach, der das hohe Entdeckungsrisiko wert gewesen wäre.

Marion Jones’ größte Erfolge liegen einige Jahre zurück. Bei den Olympischen Spielen 2000 in Sydney gewann sie drei Gold- und zwei Bronzemedaillen. Sie war damals das wertvollste Aushängeschild des Sportartikelkonzerns Nike. Danach erlitt ihre Karriere einen Bruch. Beobachter führen das auch auf den Skandal um ihren damaligen Ehemann C. J. Hunter zurück. Der Kugelstoßer wurde in Sydney des Dopings mit dem Steroid Nandrolon überführt.

Auch Marion Jones wurde mehrfach des Dopings verdächtigt, insbesondere während der Balco-Affäre 2004. Die ist benannt nach der Bay Area Laboratory Co-Operative, die Sportler mit verbotenen Substanzen versorgt haben soll. Eine Reihe prominenter US-Athleten wurde damals überführt und zum Teil lebenslang gesperrt. Jones beteuerte ihre Unschuld und unterzog sich einem Test mit dem Lügendetektor, der bei ihrer Behauptung, sie habe nicht gedopt, keine auffälligen Signale verzeichnete.

Erst in diesem Jahr gelang Jones ein Comeback. Sie siegte bei der US-Meisterschaft und gewann fünf Wettkämpfe im Ausland. Ihre persönliche Bestzeit – 10,65 Sekunden von 1998 – erreichte sie zwar nicht mehr. Sie wurde aber dreimal unter 11 Sekunden gestoppt.

Der mehrjährige Leistungsabfall war wohl auf eine Mischung aus Dopingverdacht und persönlichen Ursachen zurückzuführen. Sie trennte sich von C. J. Hunter und gebar 2003 ihren Sohn Monty. Dessen Vater ist der Sprinter Tim Montgomery. Sein Weltrekord über 100 Meter wurde ihm im Zuge des Balco-Skandals in einem Indizienprozess aberkannt.

Die Spiele in Athen 2004 verliefen für Jones enttäuschend. Sie verpasste die Medaillenränge in den Einzeldisziplinen, und ihr Missgeschick bei der Staffelübergabe beendete die Hoffnungen der 4-mal-100-Meter-Staffel der Frauen. 2005 konnte sie wegen der anhaltenden Dopinggerüchte bei mehreren Wettbewerben in Europa nicht antreten.

Wenn auch die B-Probe positiv ausfällt, ist Marion Jones der dritte Fall weltbekannter US-Sportler binnen weniger Wochen. Zuvor waren 100-Meter-Weltrekordler Justin Gatlin und Tour-de- France-Sieger Floyd Landis des Dopings überführt worden.

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