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Für Mesut Özil und seine Kollegen lief es gegen Frankreich nicht wie gewünscht. Bis zur EM ist aber noch genug Zeit.

© dpa

Länderspiel gegen Frankreich: Deutschland ohne Tempo, Struktur und Idee

Was war los mit der neuen deutschen Fußballgeneration am Mittwochabend in Bremen? Nach dem 1:2 gegen Frankreich benennt die Mannschaft die Fehler und hofft auf die EM-Vorbereitung.

Joachim Löw gelang die perfekte Manndeckung. Immer dicht im Rücken des Gegners, nie weiter weg als eine halbe Armlänge – ganz die gute alte Mannheimer Schule, aus der Fußballgötter wie Jürgen Kohler und Christian Wörns hervorgegangen sind. Joachim Löw stand minutenlang schräg hinter einem drei Meter hohen Werbe-Aufsteller und lugte an der Seite vorbei in Richtung Podium. Dort saß Frankreichs Nationaltrainer Laurent Blanc und sprach Sätze wie diesen: „Siege sind einfach schön.“

Den Aufsteller vor Löw zierte einen Slogan eines Großsponsors, in dem die Rede ist vom Pulsschlag einer neuen Generation. Was war los mit der neuen deutschen Fußballgeneration an diesem Mittwochabend in Bremen? In Joachim Löw wummerte es. Gerade hatte Deutschland den Auftakt ins EM-Jahr gegen die Franzosen 1:2 verloren. Im Vorfeld dieses Prestige-Duells hatte der Bundestrainer viel davon erzählt, das Resultat eines solchen Spiels sei nicht mehr so bedeutend für die Bewertung seiner Mannschaft, die so gut in Schwung und Schuss war im Jahr 2011. Die EM-Qualifikation war ohne Punktverlust souverän gemeistert worden, zwischendurch gab es Siege gegen prominente Gegner wie Brasilien und Holland. Aber die Art, wie die deutsche Mannschaft nun unterlegen war, die gefiel ihm überhaupt nicht. Ihm, den Liebhaber hoher Fußballkultur, der oft betont hat, dass „auf hässliche Weise“ kein großer Titel mehr zu gewinnen sei. Fußballerisch zu überzeugen sei die einzige Lösung, wenn man sich nicht auf das Glück verlassen wolle, hat Löw gesagt.

Nun stand er bei diesem Aufsteller, die Hände tief in den Hosentaschen vergraben und sagte: „Frankreich war spielerisch besser.“ Ein Satz, der dem Ästheten Löw Schmerzen bereitet. Etwas kerniger formulierte es der Münchner Mittelfeldspieler Thomas Müller: „Die Mannschaft war ein bisserl zweigeteilt, in Offensive und Defensive.“ Man habe nicht die nötige Disziplin für eine Balance aus beiden Richtungen aufgebracht. Diese deutsche Mannschaft hatte es dem Gegner an diesem Abend relativ leicht gemacht. Oder, wie es Abwehrspieler Mats Hummels ausdrückte: „Die Franzosen haben die Räume gut zugestellt, wir nicht.“

Joachim Löw setzt alles auf die Trainingslager vor Turnierbeginn

Tatsächlich war es so, dass die deutsche Elf keinen Zug in ihre Aktionen bekommen hatte, sie kickte teilweise konfus und wirkte dabei lethargisch. Vor allem aber funktionierte die Mannschaft nicht als Mannschaft. Das mag vielleicht auch daran gelegen haben, dass viele Schlüsselspieler wie Schweinsteiger, Lahm, Podolski, Mertesacker oder Götze fehlten. Spieler dieser Qualität sind durchaus ersetzbar, aber eben nicht immer und schon gar nicht in beliebiger Anzahl. Das hoch gelobte deutsche Gebilde funktioniert nur dann, wenn jeder Einzelne viel investiert.

Vielleicht wähnten sich die Einzelnen und damit die Mannschaft schon weiter, schon resistenter gegen Ausfälle bei dieser Flut von jungen, nachrückenden Spielern. „Wenn wir den Ball hatten, waren wir gut“, sagte später Toni Kroos. Aber wenn der Gegner in Ballbesitz war, sei das Gegenteil der Fall gewesen. Diese Feststellung sagt alles über das Spiel der Deutschen am Mittwochabend. Die Mannschaft hatte das Defensivverhalten sträflich vernachlässigt. „Die Franzosen sind auf unsere Viererkette zugelaufen, ohne dass ihnen was im Weg stand“, sagte Innenverteidiger Hummels. Das sah auch der Bundestrainer so. „Offensiv können wir auf wahnsinnig gutem Niveau spielen“, sagte Joachim Löw. Dass defensiv dafür einiges aufzuarbeiten sei, habe man schon vor dem Test gegen Frankreich gewusst.

Löw setzt nun alles auf die sagenumwobene EM-Vorbereitung. „Der Plan und die Inhalte dafür stehen. Daran hätte sich auch nichts geändert, wenn wir heute gewonnen hätten.“ Gegen die Franzosen, die seit 18 Spielen unbezwungen sind, sei ihm vieles noch einmal deutlich geworden. Die Spieler hätten nicht in der „nötigen Intensität nach hinten gearbeitet“, sagte Löw. Und das ganz unabhängig von zahlreichen Spielerwechseln, die nun mal zu einem Testspiel gehörten, Im Team stimmte die ganze Statik nicht. Zwischen der Abwehr und dem vordersten Spieler lagen oft 50, 60 Meter. Es fehlten Tempo, Struktur und eine Spielidee. Was blieb, waren planlose Bälle, die aus der Abwehr nach vorn geschlagen wurden. Ein No-go unter Löw.

In seiner Analyse musste Joachim Löw sich zusammenreißen. Die neue Generation der Badstuber, Hummels, Reus und Co. wird es schon noch lernen. Thomas Müller schloss den Abend gewohnt pragmatisch. „Machen wir einen Deckel drauf und schauen, was im Juni passiert.“

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