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Sport: Lässig in den Untergang

Der FC Bayern wähnte sich schon wieder in der Weltspitze und wird von Real Madrid eines Besseren belehrt

Madrid. Die Nacht singt ihre Lieder? Manche davon mögen von Enttäuschung erzählen und das Schicksal beklagen, aber wo war in der Nacht von Madrid der Platz für Enttäuschung, wo der Grund? Die Lieder der Nacht von Madrid waren zornig und eins, zum Beispiel, heißt „Die Ballade vom Ballack“. Sie handelt von Lorbeer, vielleicht verfrühtem Lorbeer, und von Hoffnungen, vielleicht falschen Hoffnungen. Und den Refrain grölten ein paar Fans in die Katakomben des Estadio Santiago Bernabeu, als just dieser Ballack, Michael Ballack, Mittelfeldstar des FC Bayern München, nach bisheriger Ansicht mancher Experten auch Weltstar, der fast einzige Weltstar des deutschen Fußballs sogar, als also Michael Ballack sichtlich gut gelaunt und sichtlich gut onduliert die Kabine verließ: „Ballack, du Flasche!“

Ballack lächelte dazu, gab der versammelten Presse ein paar dünne Statements zur Lage der Nation („Wir können stolz sein, wir haben uns teuer verkauft“) und zur eigenen dazu. Befragt, wie er denn die eigene Leistung beurteile, befand der Star, dass er nicht der Mann sei, die eigene Leistung zu beurteilen, „das mache ich nie“ – und dann lächelte er wieder, was möglicherweise charmant erscheinen sollte, aber nur arrogant wirkte.

Stolz auf ein 0:1 bei Real Madrid? Teuer verkauft gegen eine Mannschaft, die wegen Verletzung auf Ronaldo hatte verzichten müssen, wegen Sperre auf Roberto Carlos und die des Könnens ihrer weiteren Stars nicht bedurfte? David Beckham, der Brite, konnte und brauchte nicht zu zeigen, warum er allerorten Hysterie entfacht, sondern rieb sich auf im defensiven Mittelfeld, Luis Figo, der Portugiese, brauchte und konnte nicht mehr zeigen, dass er mal Weltstar war, und Zinedine Zidane, der Franzose und für manche der weltbeste Fußballer aller Zeiten, wurde fast zugedeckt vom wackeren Bayern Demichelis, demonstrierte aber, dass der Rest vom Fast immer noch zur Augenweide reicht und erst recht für diesen FC Bayern München. Teuer verkauft? Bei welchem Spiel war Ballack?

Dann, nach seinen Statements, trat Ballack ab, schritt hinaus aus den Katakomben, hinüber zum Mannschaftsbus, der ihn zum Buffet bringen sollte. Wie der Herr so’s Gescherr. Oder umgekehrt. Michael Ballack hatte schlecht gespielt, sehr schlecht, aber war er allein schuld, dass der FC Bayern München so furchtbar klaglos ausschied im Achtelfinale der Champions League? Wahrlich nicht. Man konnte am Mittwochabend in Madrid den Eindruck haben, dass den Münchnern nahezu in Gänze ein guter Auftritt im Hinspiel und ein Sieg in der Bundesliga gegen desolate Leverkusener gereicht hatte, um sich in aller Selbstherrlichkeit mal wieder in der Spitzenklasse des Weltfußballs zu wähnen. Welch ein Irrtum, welch ein Realitätsverlust.

Für fünf hübsche Minuten vor dem Halbzeitpfiff hatten sie den Irrglauben abgelegt, allein schon durch Nimbus und Namen des FC Bayern erreiche man den europäischen Fußballgipfel, waren da zu Chancen gekommen durch Zé Roberto und Roy Makaay und Claudio Pizarro sogar bis auf die Torlinie, auf der dann allerdings Reals Verteidiger Salgado rettete für den bereits geschlagenen Torhüter Casillas. Ansonsten durfte noch Zé Roberto für sich verbuchen lassen, dass er gewillt war zu siegen, und Bastian Schweinsteiger auch, der nach der Pause für Owen Hargreaves gekommen war, der beim Madrider Siegtreffer durch Zidane tief und fest geschlafen hatte.

Der Rest? Die Verteidiger Willy Sagnol und Bixente Lizarazu mögen entschuldigt sein, der eine wegen eines Armbruchs und der andere wegen gerade überstandener Verletzung. Und Roy Makaay fehlte sich selber in der Sturmmitte, weil er den Sturm im Hinterland erst selbst entfachen musste. Robert Kovac indes spielte, was er kann und nicht mehr, Samuel Kuffour prügelte, was das Zeug hielt und tat sonst nichts mehr, Hasan Salihamidzics Flanken erreichten nicht einmal mehr Flughöhe, Oliver Kahn konnte seinen katastrophalen Fehler aus dem Hinspiel nicht wettmachen, und Michael Ballack … ach, genug davon.

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