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Sport: Langsamer Aufschlag

Das deutsche Frauen-Tennis befindet sich in der Krise – der Nachwuchs lässt sich Zeit

Berlin - Sabine Lisicki schlägt sich wütend auf den Oberschenkel. Gerade hat sie den vierten Breakball in Folge ins Netz gehauen. Die Vorhand, mit der das Mädchen eben noch einen Punkt nach dem anderen gemacht hatte, fliegt jetzt dauernd ins Netz – oder ins Aus. Lisicki kneift die Augen zusammen und stampft auf den staubigen Boden. Es nutzt nichts. Sabine Lisicki, derzeit beste deutsche Juniorin der U15-Weltrangliste und hoffnungsvolles Talent des Deutschen Tennis Bundes (DTB) verliert bei den Berliner Junior Open in der zweiten Runde.

Das deutsche Frauen-Tennis wartet sehnsüchtig auf einen Aufschwung. Aus den schlechten Ergebnissen der vergangenen Monate hat selbst das Nationale Olympische Komitee (NOK) Konsequenzen gezogen: Obwohl Anca Barna und Marlene Weingärtner laut den Kriterien des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) in Athen spielberechtigt wären, verweigerte das NOK den beiden Frauen das Startrecht für das olympische Tennisturnier: Barna und Weingärtner hätten die nationalen Kriterien für eine Nominierung nicht erfüllt. Das NOK schreibt für die nominierten Athleten „Medaillenchancen“ vor, sonst dürfen sie nicht an den Olympischen Spielen teilnehmen. Um diese Vorgaben zu erfüllen, müssten die Frauen in Athen also mindestens das Halbfinale erreichen. Das wird ihnen nicht zugetraut.

Möglicherweise wird die 14-jährige Sabine Lisicki später auch einmal bei Olympischen Spielen antreten. Momentan kämpft das Mädchen mit dem Pferdeschwanz aber noch mit den Tränen. So eine Niederlage bei dem zweitgrößten Jugendturnier in Deutschland bringt einen nicht weiter auf dem Weg zum großen Ziel. Für Lisicki steht seit langem fest: „Ich will Nummer Eins werden in der Welt.“ Dieses Jahr will sie in der Jugend-Weltrangliste 70 Plätze gut machen und unter die Top 100 kommen.

„Die Jugend-Weltrangliste ist in diesem Alter nur mittelmäßig wichtig“, sagt Bundestrainer Klaus Eberhard. Um das Talent einer Spielerin zu beurteilen, zählt zwar auch die Spielstärke, Technik und Athletik spielen bei seinen Entscheidungen aber die weitaus größere Rolle. Dass eine deutsche Spielerin mit 17 Jahren das Turnier von Wimbledon gewinnt, wie vor zwei Wochen die Russin Maria Scharapowa, hält Eberhard für ausgeschlossen. „In den Staaten des ehemaligen Ostblocks liegt ein großer sozialer Druck auf den Sportlern, und die Strukturen des Hochleistungssports sind ganz anders. Da wird mit viel mehr Drill trainiert“, sagt Eberhard. In Deutschland werde dagegen mehr Wert auf Pädagogik gelegt. Gerade in der schwierigen Phase der Pubertät „brauchen die Jugenlichen eine feste Bezugsperson“. Außerdem müssen die jungen Talente Schule und Leistungssport irgendwie verbinden.

Sabine Lisicki ist vor drei Jahren aus Nordrhein-Westfalen nach Berlin gezogen – wegen der Schule. Man habe damals nicht akzeptieren wollen, dass sie Leistungssportlerin ist. „Wenn ich mal drei Wochen weg war wegen Turnieren, hatte ich statt einer Zwei minus auf einmal eine Drei plus auf dem Zeugnis stehen“, sagt sie. In Berlin ist man an Leistungssport-Karrieren gewöhnt: Schon Franziska van Almsick und Jan Ullrich besuchten die Werner-Seelenbinder-Schule. „Ich habe jetzt einen Durchschnitt von 1,2“, erklärt Lisicki stolz. Sie ist jetzt 14 Jahre alt, die WTA erlaubt Spielern in diesem Alter, pro Jahr 14 Turniere zu spielen. Zu wenig, wie Lisicki findet. Ihr großes Ziel würde sie gerne schneller verwirklicht sehen. „Alle sagen immer, dass man langsam machen soll. Dabei läuft einem die Zeit doch davon.“

Das Trainingskonzept von Klaus Eberhard sieht dagegen einen späten Leistungshöhepunkt der Spielerinnen vor. „Erfahrungsgemäß kann eine Tennisspielerin zehn Jahre lang Leistungssport betreiben. Da ist es doch egal, ob sie das im Alter von 17 bis 27 Jahren tut oder zwischen 21 und 31 Jahren“, erklärt der Bundestrainer. Er weiß, wovon er spricht: Am vergangenen Wochenende hat das deutsche Fed-Cup-Team mit einem knappen 3:2-Erfolg über die Ukraine gerade so den Abstieg in die drittklassige Euro-Afrika-Zonengruppe verhindert. An allen drei Siegen war die 31-jährige Barbara Rittner beteiligt: Zwei Punkte im Einzel, einer im Doppel. Die 19-jährige Anna-Lena Grönefeld verlor dagegen ihre beiden Einzel.

Stéphanie Souron

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