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Sport: Laufen mit Seele

Der norwegische Biathlon-Star Ole Einar Björndalen setzt auf die Hilfe eines Psychologen

Nach dem souveränen Erfolg in Kontiolahti jubelte Ole Einar Björndalen über das beste mannschaftliche Weltcup-Ergebnis der Norweger mit sechs Männern unter den ersten zehn. „Bei uns hat heute alles gepasst“, sagte er, während im deutschen Lager vor allem die Männer ziemlich verunsichert wirkten. Trost kam für sie von Björndalen: „Keine Angst, die Deutschen kommen zurück. Sie sind besser als das heutige Resultat.“ Aber auch bei den Frauen gab eskeinen Jubel. Der erste Kommentar von Martina Glagow nach dem Weltcupauftakt der Biathleten, bei dem sie 19. im 7,5-km-Sprint wurde, hatte Symbolcharakter: „Ich brauche halt noch ein paar Rennen, um in Schwung zu kommen.“

Die 24-jährige Mittenwalderin, in der Vorsaison die Siegerin im Gesamtweltcup, war im vergangenen Winter auch erst im März bei den Weltmeisterschaften in ihrer Bestform. Der Sieg im Verfolgungsrennen war der Lohn dafür. Aus dieser Erfahrung heraus nahm Bundestrainer Uwe Müssiggang den mäßigen Saisoneinstieg gelassen: „Mit Uschi Disl, Kati Wilhelm und Katrin Apel hatten wir ja drei unter den besten sieben."

Trainerkollege Frank Ullrich wäre gestern heilfroh über ein ähnliches Resultat gewesen. Doch seine Männer boten in der als Kältekammer berüchtigten Region in Finnland, die sich diesmal bei zwei Grad über null mit Kunstschnee präsentierte, eine schwache Vorstellung. Bester Deutscher war Peter Sendel als 15., Doppel-Weltmeister Ricco Gross wurde gar nur 37. – mit null Schießfehlern. Vor allem die Norweger rannten der Konkurrenz zum Saisonstart davon, schossen auch sicher. Hinter dem Titelverteidiger im Gesamtweltcup, Ole Einar Björndalen platzierten sich drei weitere Biathleten aus Nordeuropa. Der 27-jährige Björndalen ist damit auf dem besten Wege, an seine Erfolge der vergangenen zwei Winter anzuknüpfen.

Björndalen hat längst seine Schwächen überwunden. Obwohl er 1998 in Nagano bereits Olympiasieger im Sprint wurde und praktisch Stammgast auf den Podiumsplätzen im Weltcup war, brachten ihn bei Weltmeisterschaften oder am heimatlichen Holmenkollen schwache Nerven nicht selten um den Erfolg. Auf der Suche nach der Lösung des Problems begann er ein Jahr vor den Olympischen Spielen 2002 in Salt Lake City die Zusammenarbeit mit einem aus eigener Tasche bezahlten Psychologen. Das Resultat: Björndalen gewann alle Wettbewerbe und stieg mit vier Goldmedaillen zum Star auf.

Und eine Saison später, bei den Weltmeisterschaften im sibirischen Khanty Mansiysk, holte er sich gleich doppelt, was ihm noch gefehlt hatte: WM-Titel in Einzelrennen. Einiges von seinen Prämien floss in einen Hotelbau bei Beitostoelen. Es wäre keine Überraschung gewesen, hätte er danach auf die Hilfe des psychologischen Beraters verzichtet. Doch Björndalen denkt anders: „Ich habe den ja nicht engagiert, weil ich depressiv war oder psychische Probleme hatte. Kopftraining gehört einfach zum professionellen Spitzensport. Ich habe dadurch gelernt, meinen Körper und meinen Kopf unter Kontrolle zu halten.“ Der Norweger begriff, wie er auf missratene Rennen, aber ebenso auf Siege zu reagieren hatte, wie er wieder Motivationen für neue Ziele finden konnte.

Die Entscheidung, sich in Obertilliach, nahe der italienischen Grenze, niederzulassen, habe er jedoch allein gefällt. Dort existiert neuerdings ein österreichisches Leistungszentrum für Biathlon. „Ich habe dort ideale Trainingsbedingungen, kann schnell zum Höhentraining auf Gletscher über 2000 m, was in Norwegen nicht möglich ist. Und bin nahe dran am Gelände, wo 2006 die olympischen Biathlonwettbewerbe ausgetragen werden“, sagt er.

Rat von einem speziellen Schießtrainer hat der Perfektionist Björndalen nur „in allgemeiner Form über die Technik“ geholt. „Sportschießen und Schießen beim Biathlon unter körperlicher Höchstbelastung sind zwei völlig verschiedene Dinge“, begründet er. Aber psychische Hilfe, das ist für ihn ein ganz anderes, wichtigeres Thema. Auch in der Planung für die Weltmeisterschaften vom 5. bis 15. Februar in Oberhof. Beim laut Veranstalter „größten Sportereignis, das es je in Thüringen gab“, wird es darauf ankommen, vor mehr als 20 000 Zuschauern am Schießstand psychisch die Balance zu halten. Aber Björndalen ist dafür gewappnet.

Ernst Podeswa

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