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Sport: Leere Mitte

Hertha BSC hat viele junge und einige alte Spieler – doch es fehlt an denen, die vermitteln

Solomon Okoronkwo täuscht einen Schuss an, er dreht sich einmal um die eigene Achse: Das sieht sehr geschmeidig aus. Noch ein Übersteiger, ein Zucken in der Hüfte, und – weg ist der Ball! Thorben Marx hatte keine Lust mehr, sich die Show des nigerianischen Stürmers anzuschauen und grätscht dazwischen. Trainer Falko Götz brüllt daraufhin über den Platz: „Abspielen! Früher abspielen, Solo!“ Die Szene aus dem gestrigen Training des Fußball-Bundesligisten Hertha BSC in Marbella ist nicht besonders außergewöhnlich.

Falko Götz glaubt, dass seine jungen Spieler anfangen müssen zu begreifen, „dass es nicht immer darum geht, schön zu spielen, sondern erfolgreich“. Herthas Kader ist sehr jung, elf Spieler sind jünger als 23. Sie gelten als die Zukunft des Vereins, doch die Gegenwart sind sie noch nicht. Neun der Jungen sind am vergangenen Samstag im Testspiel gegen den Zweitligisten Kickers Offenbach zum Einsatz gekommen. Was Trainer anschließend über sie sagte, klang nicht besonders positiv: Ihnen gehe es zu häufig darum, die besten Tricks zu zeigen, anstatt zielstrebig nach vorne zu spielen. „Das Spiel gegen Offenbach war so typisch", sagt Götz. „Wir haben 78 Minuten klar dominiert und in den letzten zwölf Minuten drei Gegentore kassiert.“ Die Berliner hatten bei der 0:3-Niederlage gegen den Zweitligisten viele gute Möglichkeiten. Doch die Konsequenz im Abschluss fehlte, beim Torschuss ebenso wie beim finalen Pass.

Die Verspieltheit der Jungen ärgert vor allem die älteren Spieler. Dem Nachwuchs fällt es manchmal schwer, das zu verstehen. „Die Alten wollen respektiert werden, das geht in Ordnung. Aber genauso wollen auch wir Respekt haben“, sagt der 18 Jahre alte Solomon Okoronkwo. Dem Kader von Hertha fehlt eine meinungsbildende Gruppe zwischen Jung und Alt, eine vermittelnde Instanz, die beide Seiten versteht. „Ich werde mich nicht mehr ändern und mit den Jungs um die Häuser ziehen“, sagt der 30 Jahre alte Torhüter Christian Fiedler. „Ich habe meine eigenen Interessen, und die will ich auch wahren.“ Fiedler zählt wie der 32-jährige Dick van Burik, der 27-jährige Josip Simunic, der 34-jährige Niko Kovac zu Herthas Führungspersönlichkeiten. Sie sind, abgesehen von Simunic, auch die Mannschaftsältesten.

Zwar sind einige Profis des Teams zwischen 24 und 29, doch die meisten von ihnen haben noch zu viel mit sich selbst zu tun, um leitende Funktionen übernehmen zu können. Thorben Marx (24) und Oliver Schröder (25) sind noch immer auf der Suche nach Konstanz in ihrem eigenen Spiel. Der 29 Jahre alte Brasilianer Gilberto hatte zuletzt familiäre Probleme, muss selbst erst einmal Anschluss an die Gruppe finden und ist auch wegen seiner mangelnden Deutsch-Kenntnisse nicht in der Lage, als Führungspersönlichkeit aufzutreten. Pal Dardai (29) und Gerhard Tremmel (27) spielen zu selten, um für derartige Aufgaben zu übernehmen. Und die 27 Jahre alten Yildiray Bastürk und Marko Pantelic sind von ihrem Charakter her nicht die Typen, dass sie aus sich herausgehen. Bleibt der 26 Jahre alte Kapitän Arne Friedrich, der es versucht, dabei jedoch oftmals zu zaghaft wirkt.

Manager Dieter Hoeneß findet nicht, dass die Altersstruktur ein Problem der Mannschaft ist. „Die Mischung ist in Ordnung“, sagt er. „Außerdem sind wir doch gar nicht unzufrieden mit der momentanen Lage, mit Platz fünf sind wir im Soll. Um hoch zufrieden zu sein, fehlte uns in der Hinrunde ja auch nur ein kleines Stück.“ Der Manager muss das sagen. Denn an der Altersstruktur der Mannschaft wird er in näherer Zukunft nur schwer etwas verändern können.

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