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Südafrikaner Pistorius

© dpa

Leichtathletik: Ehrgeiz und Ekstase

Der unterschenkelamputierte Oscar Pistorius, der in Peking starten darf, ist sogar fürs Istaf interessant. Nur qualifizieren muss er sich noch.

Er ist der „schnellste Mann ohne Beine“, wie er selbst über sich sagt. Und doch ist er einer der schnellsten Sprinter der Welt – der nun doch bei den Olympischen Spielen starten darf: der Südafrikaner Oscar Pistorius, 21 Jahre jung, beidseitig unterschenkelamputiert.

Der Internationale Sportgerichtshof Cas in Lausanne hat jetzt seiner Klage stattgegeben. „Ich bin wie in Ekstase. Diese Schlacht hat wirklich viel zu lange gedauert“, sagt der Ausnahmeathlet. Pistorius ist damit das zweite Mitglied der südafrikanischen Nationalmannschaft bei den Sommerspielen in Peking mit einem körperlichen Handicap: Seine Landsfrau Natalie du Toit geht mit nur einem Bein gegen nichtbehinderte Konkurrentinnen beim Langstreckenschwimmen an den Start.

Pistorius muss sich jetzt nur noch qualifizieren: Gemeldet ist er derzeit etwa für die Internationalen Deutschen Meisterschaften Leichtathletik der Behinderten vom 13. bis 15. Juni in Berlin. Auch die Organisatoren des Istaf am 1. Juni wollen jetzt um den außergewöhnlichen Sprintstar werben.

Dass der Südafrikaner seinen Behörden-Marathon um die Teilnahme bei Olympia doch gewann, wird ihn selbst überrascht haben. Zunächst hatte ihm der Leichtathletik-Weltverband IAAF Mitte Januar nach einer Studie des Kölner Biomechanik-Professors Gert-Peter Brüggemann verwehrt, anzutreten. Seine federnden Carbon-Stelzen des Modells „Cheetah Flex-Foot“ würden ihm Vorteile gegenüber nichtbehinderten Konkurrenten verschaffen. Dies sei keineswegs der Fall, entschieden hingegen die Richter in ihrem mehr als 100 Punkte umfassenden Urteil. Somit sind auch ursprüngliche Befürchtungen von Athleten obsolet, Pistorius habe seine Beine womöglich künstlich verlängert und erhöhe so seine Schrittfrequenz.

Vielmehr könne der 21-Jährige nicht so fix wie unversehrte Sportler aus den Startblöcken federn, müsse mit seinen Unterschenkelstummeln viel von der Bewegungsfähigkeit Nichtbehinderter wettmachen und sei auch bei der Kurvenlage benachteiligt, sagt Ralf Otto, Teamchef der deutschen Paralympics-Nationalmannschaft der Leichtathleten. „Es stimmt auch nicht, dass Pistorius mit Hightech-Prothesen rennt, die ,Cheetah’-Federn aus einer bruchsicheren Carbonlegierung kann sich jeder aus dem Versandhandel bestellen.“ Der Nationaltrainer weist zudem darauf hin, dass amputierte Athleten etwa Probleme mit dem Halt des Stumpfes in der Prothese haben. Otto sagt: „Generell ist das aber für unseren Sport gut, dass Paralympioniken auch bei Olympia zeigen, dass Behindertensport nicht nur bedeutet, ein Sportgerät fallen zu lassen und dafür eine Medaille zu kassieren.“

Oscar Pistorius mussten gleich nach der Geburt beide Unterschenkel amputiert werden. Der junge Mann ließ sich dennoch nie entmutigen. Er hält in seiner Starterklasse den Paralympics-Weltrekord über 100, 200 und 400 Meter. Um bei den Spielen als Einzelkämpfer an den Start zu gehen, muss der Südafrikaner seine persönliche 400-Meter-Bestzeit von 46,56 Sekunden auf die Qualifizierungsmarke 45,95 verbessern. Für die Staffel reicht die Leistung aus.

In der paralympischen Sportszene ist die Freude über die plötzliche Starterlaubnis groß. „Dass Pistorius bei Olympia antreten darf, wertet unseren Sport schon wegen der höheren Medienpräsenz auf“, sagt Reinhard Tank, Pressesprecher des Berliner Behindertensportverbandes. Der Trainer der Berliner Paralympicslegende Marianne Buggenhagen, Bernd Mädler, rechnet damit, „dass das nicht der letzte Sportler ist, der das versuchen wird“. Allerdings sei der Olympische Sport „ein teures Vergnügen“, da brauche Pistorius potente Sponsoren. In Südafrika, Kanada, Australien, Spanien und Neuseeland gibt es – anders als in Deutschland – allerdings schon viele olympische Vollprofis mit Handicap.

Annette Kögel

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