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Sport: Leichtathletik: Geschoben wie gesprungen

Berlin. Das Licht der Herbstsonne verleiht den Bäumen, um die sich die Bobbahn schlängelt, einen goldgelben Glanz.

Berlin. Das Licht der Herbstsonne verleiht den Bäumen, um die sich die Bobbahn schlängelt, einen goldgelben Glanz. Bei 16 Grad Wärme wirkt die eisbedeckte Bahn im Wald wie ein Fremdkörper. Es fällt schwer, beim Rundgang um den Eiskanal schon Gedanken an den kommenden Winter zu verschwenden. So beschreibt die Berlinerin Nicole Herschmann ihre Eindrücke aus Altenberg. Dort beginnt am Sonntag wieder die Saison für eine winterliche Touristenattraktion Thüringens. Dann können besonders Mutige für 115 Mark in einen Bob steigen und zusammen mit einem erfahren Piloten die 17 Kurven bis runter ins Tal donnern.

Nicole Herschmann hat diese Prozedur bereits hinter sich. Die Dreispringerin hatte sich die Anlage schon im vorigen Winter bei einem Trainingslager angeschaut und wurde dann von den dort trainierenden Bobpilotinnen aufgefordert, doch mal mitzufahren. "Die haben mich einfach gleich reingesetzt", sagt die 26-Jährige und wusste damals wohl nicht recht, wie ihr geschieht. So fuhr sie damals die Strecke mit der WM-Sechsten Sandra Prokoff hinunter und gibt heute zu, "dass das schon ein komisches Gefühl war". Richtige Angst hatte sie aber nicht. "Das ist wie Achterbahnfahren ohne Polster."

Im Frühjahr meldete sich Sandra Prokoff bei ihr und fragte, ob sie nicht als Bremserin mit ihr in den Zweierbob steigen würde. Die Berlinerin befand sich aber gerade in der Vorbereitung auf die Saison - ihre erfolgreichste, wie sich herausstellen sollte. Die Athletin, die für den OSC Berlin startet, wurde 2001 Deutsche Meisterin und qualifizierte sich mit deutscher Jahresbestleistung (14,09 m) unerwartet für die WM in Edmonton. Vom Erfolg gestärkt, hat sie sich mit ihrem Trainer Bernd Scheermesser zusammengesetzt und die Saison 2002 geplant. Da die EM im nächsten Jahr in München stattfindet, ist Herschmann natürlich motiviert, noch weiter voranzukommen.

Da kam den beiden die Boberfahrung aus dem November in den Sinn. Bobanschieben ist eine anerkannte Trainingsmethode in Sprinterkreisen, um schneller zu werden. Wechsel von der Leichtathletik zum Bobsport sind nicht ungewöhnlich. Hinzu kam der Reiz der jungen Sportart. Erst 1999 entschied das IOC, dass der Frauenbob olympisch wird. Für die olympische Saison konnte Prokoff, die Weltcupzweite des Vorjahres, noch eine vierte Bremserin gebrauchen, und so stand Herschmann am vorigen Wochenende zum zweiten Mal auf einer Bobbahn.

Viel Zeit zum Üben auf der Anschubstrecke hatten beide nicht. Eine Woche ist die Dreispringerin nur in Altenberg. So wird jede Minute für Fahrten mit bis zu Tempo 100 im Eiskanal genutzt. Da geht dann auch schon mal was schief, vor allem, weil sie die Strecke noch nicht so gut kennt. "Du bekommst noch nicht genau mit, wo die letzte Kurve ist", sagt Herschmann, "und du musst ja wissen wo die Strecke zu Ende ist, damit du bremsen kannst." Manchmal muss sie deshalb von ihrer Pilotin noch angestubst werden.

Noch schwieriger ist der Start: "Du musst dich überwinden, volle Kanne loszulaufen." Auf Eis mit Spikes ist das nicht einfach, aber passiert ist bisher noch nichts, auch wenn sie einmal fast zu spät im Bob saß. "Inzwischen habe ich jede Menge blaue Flecke." Von denen kann sie sich auch nach den Fahrten nur wenig erholen. Dann muss der Bob gepflegt, die Kufen müssen abgeschraubt, getrocknet und geschliffen werden. Auch die Leichtathletin muss ran. "Der Bremser ist beim Wettkampf schließlich der Einzige, der an den Bob darf." So steht es im Reglement.

Die erste Bewährungsprobe könnte schon Anfang November kommen. Dann wird Herschmann beim Weltcup in Winterberg mit Prokoff an den Start gehen und bis dahin alles über den Bob wissen. "Es wäre doch blöd, wenn ich noch wie eine Wilde schraube und Sandra schon am Start auf mich wartet."

Ingo Wolff

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