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Leichtathletik-Historie: Heide Rosendahl: 400 Meter deutscher Mythos

1972: DDR-Sprinterin Renate Stecher, Goldgewinnerin über 100 und 200 Meter, war die schnellste Frau der Welt. Trotzdem konnte sie ihre Gegnerin aus der Bundesrepublik im Endspurt nicht einholen. Heide Ecker-Rosendahl berichtigt ihre Geschichte.

Aus diesen 400 Metern ist ein langes Stück deutsch-deutsche Geschichte gemacht worden, vor allem aus den letzten Metern. Ein Wettlauf der Systeme soll sie gewesen sein, die 4x100-Meter-Staffel der Frauen bei den Olympischen Spielen 1972 in München. Eigentlich war der Sozialismus der Favorit. Er hatte die schnellste Frau der Welt hervorgebracht, Renate Stecher, Goldmedaillengewinnerin über 100 und 200 Meter, Weltrekordhalterin. Und trotzdem konnte sie ihre Gegnerin aus der Bundesrepublik, Heidemarie Rosendahl, im Endspurt nicht mehr einholen. Gold für den Westen, und das auch noch mit neuer Weltrekordzeit. Die Außenseiter gewannen, so wie zwei Jahre später die DDR durch das Sparwasser-Tor bei der Fußball-WM siegte.

Beide Ereignisse sind heute zum Mythos geworden, politisch aufgeladen, auch wenn es die Beteiligten anders sehen. „Wir haben unsere Gegner nach Leistung bemessen, da ging es nicht um Politik“, sagt Heidemarie Ecker-Rosendahl. Als sie mit Renate Stecher noch bisweilen nach der Wende zusammen bei einer Veranstaltung saß, hätten sie sich manchmal verwundert angeschaut, wenn die Rede auf den Klassenkampf kam. „Was wollt ihr eigentlich, haben wir uns gefragt“, erzählt Ecker-Rosendahl. Renate Stecher hat zum angeblichen Klassenauftrag für die Spiele 1972 einmal gesagt: „Dadurch ist bei mir kein Funken Motivation mehr ausgelöst worden.“ Einen staatlichen Zwang im Sport habe sie auch nicht empfunden.

So viel zum einen Teil des Mythos. Der andere besagt, dass die Außenseiter gewannen, und auch das kann Rosendahl nicht bestätigen. Im Vorlauf war zwar die DDR schneller gewesen, aber Rosendahl sagt: „Da habe ich sie am Ende ziehen lassen. Ich habe zu unseren Mädchen gesagt: Wenn ihr mir im Finale noch mal das Holz so gebt, dann gewinnen wir.“

Solche Geschichten zu erzählen und einzuordnen, das soll bis zu den Leichtathletik-Weltmeisterschaften im August in Berlin regelmäßig vorkommen. Der Zehnkampf-Olympiasieger von 1988, Christian Schenk, hat eine zweiteilige Veranstaltung gemacht. An diesem Donnerstag und Freitag treffen sich in der Mercedes-Niederlassung am Salzufer um 19.30 Uhr jeweils alte Weggefährten der Leichtathletik. Es soll ganz einfach um Sport gehen, aber auch um Politik und nicht zuletzt um Doping. Bei vielen Athleten aus der DDR ist die Einbindung ins staatlich verordnete Doping stasiaktenkundig, bei vielen in der Bundesrepublik geht das Wissen inzwischen auch weit über das Anekdotische hinaus. Darüber offen zu reden, wer sich warum wie verhalten hat, wer gezwungen wurde und wer aus eigenem Antrieb gedopt hat, das wäre 20 Jahre nach der Wende ein sinnvolles Begleitprogramm der Leichtathletik-WM. 

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