zum Hauptinhalt
Etliche Bestmarken stammen aus einer Sportepoche, in der Doping nachweislich flächendeckend war.

© Imago

Leichtathletik: Streichung der Weltrekorde ist kein Allheilmittel

Der europäische Leichtathletik-Verband will fast alle Weltrekorde streichen. Die Glaubwürdigkeit erlangt man dadurch allein aber nicht zurück. Ein Kommentar.

Dass Mike Powell protestieren würde, war zu erwarten. Der 53-Jährige definiert sich auch 26 Jahre nach seinem Weitsprung-Weltrekord noch sehr stark über seinen Satz auf 8,95 Meter. Entsprechend vehement reagierte der US-Amerikaner auf die Initiative des europäischen Leichtathletik-Verbands (EA), fast alle Weltrekorde zu streichen und ab 2018 eine neue Rekordliste zu führen. Powell bezeichnete den Vorstoß als „respektlos, eine Ungerechtigkeit und einen Schlag ins Gesicht“. Die Pläne der EA werden kontrovers diskutiert, sie sollen der Leichtathletik Glaubwürdigkeit zurückgeben – ein Allheilmittel sind sie nicht.

Etliche Bestmarken stammen aus einer Sportepoche, in der Doping nachweislich flächendeckend war. Insofern wäre es ein richtiges Zeichen, diese Weltrekorde zu streichen: Sie können nicht mehr als Maßstab für die Beurteilung heutiger Leistungen dienen. Für die Leichtathletik sind viele Bestmarken zu einer Last geworden, zu einem Beleg für Betrug. Das heißt aber nicht, dass alles gut wird, wenn man die Rekorde auf null stellt – zumal diesem Schnitt auch einige sauber erreichte Bestmarken zum Opfer fallen würden.

Die Leichtathletik muss sich vielmehr davon lösen, immer nur auf Zeiten und Weiten zu schauen. Kaum eine Sportart ist immer noch so auf Zahlen fokussiert, daran würde auch der revolutionäre Vorschlag der EA kaum etwas ändern. Wer garantiert, dass nicht sofort eine neue Jagd nach Bestmarken einsetzen würde? Zwar besser von Dopingkontrollen überwacht, aber ähnlich verbissen wie bisher? Wenn die Leichtathletik wirklich wieder attraktiver, glaubwürdiger und moderner werden will, muss sie vieles verändern. Und der Wert von Rekorden, egal ob alt oder neu, muss in den Hintergrund rücken.

Folgen Sie der Sportredaktion auf Twitter:

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false