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Sport: Leichtathletik: Vom Tellerwäscher zum Marathonmann

Es klingt wie in einem schlechten amerikanischen Film. Da kommt ein Marokkaner nach New York, lebt mit sechs Landsleuten in einem engen Zwei-Zimmer-Apartment in Brooklyn.

Es klingt wie in einem schlechten amerikanischen Film. Da kommt ein Marokkaner nach New York, lebt mit sechs Landsleuten in einem engen Zwei-Zimmer-Apartment in Brooklyn. Um Geld zu verdienen, spült er abends in einem Restaurant die Teller. Nach Dienstschluss um 23 Uhr läuft er noch durch die Straßen von Brooklyn, um sich in Form zu halten. Später steigt er zu einem berühmten Marathonläufer auf und wird durch die Preisgelder zum Millionär. Wie gesagt, ein schlechter amerikanischer Film. Doch genau das hat Khalid Khannouchi geschafft.

Khalid Khannouchi hat sich den amerikanischen Traum erfüllt. Darüber hinaus geht für den gebürtigen Marokkaner, der seit dem Chicago-Marathon 1999 mit 2:05:42 Stunden die Weltbestzeit über die klassische Distanz hält, heute in Edmonton, Kanada, ein weiterer Traum in Erfüllung. Zum ersten Mal wird der 29-Jährige beim Marathon, der ersten Entscheidung bei den Leichtathletik-Weltmeisterschaften, für die USA starten.

Noch besser wäre es freilich für Khalid Khannouchi, wenn er bei seinem ersten großen Meisterschaftsrennen gleich eine Medaille gewinnen könnte. Zumal diese Titelkämpfe zum ersten Mal auf dem amerikanischen Kontinent stattfinden. Unter normalen Umständen zählt Khalid Khannouchi zu den Anwärtern auf Gold, doch ein Rückenproblem hatte ihn Anfang Juli zu einer achttägigen Trainingspause gezwungen.

Vor gut einem Jahr hatte Khannouchi schon einmal Pech mit einer Verletzung. Damals platzte ein Traum - vom Olympiastart im US-Trikot. Der Läufer hatte nicht mehr an den rechtzeitigen Erhalt der Staatsbürgerschaft vor Sydney geglaubt, war beim lukrativen London-Marathon gestartet. In der Folge litt er unter einer Knöchel- und Sehnenverletzung, als er plötzlich kurz vor dem US-Ausscheidungsrennen in Pittsburgh doch Amerikaner wurde. Niedergeschlagen verzichtete er auf einen Start.

Er hätte auch für sein Heimatland rennen können: Marokko. Nach seinem ersten Sieg in Chicago 1997 hatten sich die Verbandsfunktionäre um ihn bemüht - zu spät. "Khalid ist in die USA gezogen, weil er mit dem marokkanischen Verband nichts mehr zu tun haben wollte," erklärte seine Frau Sandra Natal, die zugleich seine Trainerin und Managerin ist. In den Jahren vor seinem ersten großen Triumph hatten sich die Marokkaner offenbar nicht um ihr Lauftalent gekümmert. Das nimmt ihnen Khalid Khannouchi übel. "Mein Vater möchte, dass ich für Marokko laufe. Aber als ich die Unterstützung des Verbandes brauchte, habe ich sie nicht bekommen", sagt Khannouchi. "Millionen Marokkaner werden sich über meine Leistungen freuen, aber mit den Verband will ich nichts mehr zu tun haben."

Er ist als eines von acht Kindern in Meknes in Zentralmarokko aufgewachsen. Sein Vater war Glaser und nebenbei Fußballtrainer. So kam Khalid Khannouchi frühzeitig zum Sport. Sein Vater fand ihn zu klein für einen Fußballer und überredete ihn zum Laufen. Mit 15 Jahren lief er sein erstes Rennen, einen Crosslauf, und gewann. 1990 wurde er Junioren-Crossmeister, doch der Verband nominierte ihn nicht für die Junioren-WM. Das demotivierte das Lauftalent. Dabei wurde Khannouchi sogar vom früheren Weltrekordler Said Aouita betreut.

Als er 1993 bei der Universiade in Buffalo die 5000 m gewann, lernte er neue Freunde kennen. Zwei Monate später kam er dorthin zurück, doch als es ihm im November zu kalt wurde, zog er nach New York. Dort stieg er tatsächlich vom Tellerwäscher zum Millionär auf. Nachts trainierte er. "In Brooklyn nachts um 23 oder 24 Uhr zu laufen, war verrückt, aber ich habe das gemacht."

Bei einem Straßenrennen lernte er 1994 seine Frau kennen. Sandra Natal stammt aus der Dominikanischen Republik und war Marathonläuferin. Sie überredete ihn zum Marathonlaufen und prognostizierte ihm eine Weltklassezeit von 2:07:25 Stunden. "Er dachte, ich bin verrückt", sagt seine Frau. Ihr Mann war 15 Sekunden schneller. Es war damals die schnellste Debützeit eines Marathonläufers.

In Brooklyn braucht er schon lange nicht mehr nachts zu laufen. In einem großen Park außerhalb New Yorks kann er jetzt trainieren. Dort besitzt Khannouchi ein Haus. Über dessen Eingangstür weht eine Fahne, eine amerikanische.

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