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Leichtathletik-WM: "Die Stimmung war scheiße"

Halb leere Ränge, trübe Stimmung und lange Gesichter bei den Organisatoren: Die Leichtathleten geben bei den Weltmeisterschaften in Osaka ihr Bestes, doch der Funke springt einfach nicht über.

"Das sind keine Meisterschaften des Herzens. Da fehlt einfach ein volles Stadion", klagte Stabhochspringer Tim Lobinger. Seiner Meinung nach hätte die WM nicht nach Japan vergeben werden dürfen. Das Zuschauerproblem "haben die IAAF und Präsident Lamine Diack wahrscheinlich wieder unterschätzt", sagte Lobinger.

Die Titelkämpfe dümpeln nach sechs Tagen so vor sich hin. Der Anspruch von Organisations-Chef Yohei Kono ("Wir wollen das Stadion an jedem Tag füllen") war hoch. Die Halbzeit-Bilanz ist niederschmetternd. Das eigens für das weltweit größte Sportereignis des Jahres runderneuerte Nagai-Stadion bietet 50.000 Zuschauern Platz. Nach Angaben des Weltverbandes IAAF kamen an den ersten vier Wettkampf-Tagen vormittags zu den Vorkämpfen zwischen 14.000 und 27.000 Besucher. Bei den Entscheidungen am Abend waren es zwischen 17.000 und 35.000 Besucher - davon hatten höchstens 10.000 ein gekauftes Ticket in der Tasche.

Hochsommer lädt nicht zu Besuch in Betonschüssel ein

Selbst der Spitzenwert von 35.000 am "Japan-Tag" mit Hammerwurf-Olympiasieger Koji Murofushi war aus Sicht vieler Beobachter eher eine Peinlichkeit. Der Recke ist als beliebtester Leichtathlet Japans die Werbefigur der WM. Wehmütig erinnern sich die wenigen mitgereisten Fans aus Europa an den stimmungsvollen Speerwurf-Tag mit Tero Pitkämäki, der vor zwei Jahren das Olympiastadion von Helsinki fünf Mal hätte füllen können. Allerdings lädt der subtropische Hochsommer in Japan nicht gerade zu einem Familienausflug in eine überhitzte Betonschüssel ein. "Warum sollte jemand auch bei 33 Grad Celsius und 80 Prozent Luftfeuchtigkeit ein teures Ticket kaufen?", sagte selbst Helmut Digel als hoher IAAF-Funktionär.

Die Japaner verfolgen lieber die Leichtathletik im Fernsehen - wenn sie nicht gerade Baseball oder Sumo gucken. Wenigstens freut sich die IAAF über hohe Einschaltquoten im Land des WM-Gastgebers: Die ermittelten 20 Prozent liegen nur wenig unter jenen von der Fußball-WM 2002 in Japan und Südkorea (25 Prozent).

Siegerehrung vor Putzkolonne

In der Arena sind Stimmungsmacher wie die La-Ola-Welle bei den eher beherrschten Asiaten überhaupt nicht üblich: Protokoll ist wichtiger als Party. Und wenn der letzte Läufer durchs Ziel gerannt ist, eilt alles schnell nach draußen. "Da war wieder nur die Putzkolonne im Stadion und wir hatten Siegerehrung", meinte Kugelstoßerin Nadine Kleinert nach dem Gewinn der Bronzemedaille und beschrieb die Atmosphäre während des Wettkampfs später unverblümt: "Die Stimmung war scheiße."

Atemlose Spannung herrschte bei den 11. Titelkämpfen bisher nur zwei Mal: Vor dem Showdown der 100-Meter-Sprinter und beim Weltrekord-Versuch von Russlands Überfliegerin Jelena Isinbajewa. Lobinger hat die Hoffnung auf ein volles Haus am Freitag nicht aufgegeben. "Spannung gibt's doch vor allem bei uns Stabhochspringern. Das ist es, was man braucht, um 20.000 Leute mehr im Stadion zu haben", sagte der Vize-Europameister.

Ulrike John, Ralf Jarkowski[dpa]

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