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Das Lächeln vor dem Stoß. Cheftrainer Gonschinska (M.) erwartet von Schwanitz und Storl Schwung für das ganze Team.

© dpa/Kappeler

Update

Leichtathletik-WM in Peking: Christina Schwanitz: Mit radioaktiver Flüssigkeit zum Sieg

Im Vogelnest von Peking könnte die deutsche Mannschaft an diesem Wochenende gut in die Leichtathletik-WM starten - am Ort des historischen Tiefpunkts von 2008.

Als Titelverteidiger kann man eine Weltmeisterschaft in aller Ruhe auf sich zukommen lassen. Kugelstoßer David Storl jedenfalls hatte es nach seiner Ankunft in Peking nicht eilig, jenen Ort zu besuchen, an dem er seinen dritten WM-Titel in Serie gewinnen will. „Ich war noch gar nicht im Stadion“, sagt Storl. „Ich lasse mich gerne überraschen.“ Spätestens am Sonntagvormittag wird der 25-Jährige aber erstmals seinen Fuß ins Olympiastadion setzen müssen, dann beginnt die Qualifikation der Kugelstoßer. Bereits am Sonnabend hat Christina Schwanitz, Storls Chemnitzer Trainingspartnerin, ihren ersten WM-Titel im Vogelnest von Peking geholt. Die beiden Kugelstoßer sind die beiden größten Medaillenhoffnungen für den Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV). Das erste WM-Wochenende verspricht aus deutscher Sicht also viel – was danach kommt, ist deutlich schwerer vorherzusagen.

Bei der WM 2013 in Moskau holte das deutsche Team sieben Medaillen, darunter vier goldene. Drei der vier Weltmeister sind auch in Peking dabei: Storl, Stabhochspringer Raphael Holzdeppe und Speerwerferin Christina Obergföll. Diskus-Olympiasieger Robert Harting ist nach seiner Kreuzband-Operation nicht rechtzeitig fit geworden. Auch Storl und Schwanitz mussten sich im vergangenen Herbst Knieoperationen unterziehen. „Ich habe erst einmal gehofft, wieder schmerzfrei laufen zu können“, berichtet Schwanitz.

Christina Schwanitz: Radioaktiv, "aber nicht Tschernobyl"

Umso überraschter war die 29-Jährige, mit welchen Leistungen sie in den vergangenen Monaten auftrumpfte. „Niemand hat erwartet, dass daraus eine so starke und konstante Saison wird – ich selbst am wenigsten“, sagt sie. „Vielleicht hat es geholfen, den Körper mal ein Vierteljahr zur Ruhe kommen zu lassen.“ Nach der „suboptimalen Operation“ habe die Genesung lange gedauert, gegen die Entzündung im Knie ließ sie sich sogar eine schwach radioaktive Flüssigkeit spritzen. „Aber das ist nur wenig, ich bin nicht Tschernobyl“, sagt Schwanitz.

Trotz aller Widrigkeiten und Schmerzen spricht die Vizeweltmeisterin von der „Saison ihres Lebens“. Mit der Weltjahresbestweite von 20,77 Meter ging sie als Favoritin in ihren Wettkampf, bei dem Olympiasiegerin und Titelverteidigerin Valerie Adams aus Neuseeland wegen Schulter- und Ellbogenproblemen fehlte. Der Weg zum Gold war frei für Christina Schwanitz.

Joe Kovacs: Ein ebenbürtiger Widersacher für David Storl

David Storl bekommt es auf jeden Fall mit einem ebenbürtigen Widersacher zu tun. Der US-Amerikaner Joe Kovacs hat in diesem Jahr mit 22,56 Meter so weit gestoßen wie kein anderer, Storl folgt in der Bestenliste mit 22,20. Beide Athleten sind in konstant guter Form, die besten elf Versuche des Jahres stammen alle von Storl (fünf) und Kovacs (sechs). Seit Storl im Juli in Lausanne erstmals die 22-Meter-Marke übertroffen hat, ist sein Selbstbewusstsein noch einmal gestiegen. „Der Anspruch ist jetzt ein anderer“, sagt er. „Man ärgert sich in Trainingseinheiten, in denen man keine 22 Meter stößt.“

Storl ist der einzige deutsche Athlet, der in Peking öffentlich präsent ist. Neben Leichtathletik-Stars wie Sprinter Usain Bolt aus Jamaika oder Stabhochspringer Renaud Lavillenie hängt auch das Bild des deutschen Kugelstoßers als großes Plakat an den Laternenmasten, die die Straßen zum Vogelnest säumen. Die Stärke des deutschen Teams in den Wurfdisziplinen sorgt ansonsten für wenig internationales Medien-Interesse – das gilt eher den Sprintern aus den USA und der Karibik und den Langstreckenläufern aus Afrika.

DLV-Cheftrainer Idriss Gonschinska will keine Prognose abgeben, wie viele WM-Medaillen seine Mannschaft in Peking gewinnen kann. „Gleich der erste Tag ist ein sehr, sehr wichtiger Tag für uns“, sagt Gonschinska. Schwanitz am Samstag und Storl am Sonntag könnten dem Team jedenfalls Schwung für die weitere WM mitgeben. Besser als beim letzten Großereignis im Vogelnest werden die DLV-Athleten aber wohl auf jeden Fall abschneiden: Bei Olympia 2008 in Peking hatte die deutsche Leichtathletik mit nur einer Bronzemedaille einen historischen Tiefpunkt erlebt. Schon am Samstagabend übertraf Schwanitz diese Bilanz ganz allein.

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