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Sport: Leiden unter Leipzig

Im Windschatten der sächsischen Skandale treibt Rostock seine Bewerbung um die olympischen Segelwettbewerbe voran

Rostock. Rostock empfängt seine Besucher mit verwelkten Blüten. Am Bahnhof flattern Fahnen der Internationalen Gartenausstellung. Die ist am 12. Oktober zu Ende gegangen, 2,6 Millionen Besucher sollen auf dem Gelände gewesen sein. Bis zum ersten Hinweis auf Olympia sind es vom Bahnhof aus 500 Meter Richtung Stadtmitte. Es ist ein Aufkleber in einem Bürofenster: „Ich bin ein Rostock Olymp“. Rostock weist dezent auf seinen Anteil an der Bewerbung um die Olympischen Sommerspiele 2012 hin – als sei Bescheidenheit verordnet, weil nur drei Prozent aller Medaillen bei den Segelwettbewerben vergeben werden. Oder hat Leipzig mit seinem Missmanagement auch die Stimmung in Rostock heruntergezogen? Ist Rostock schon ohnmächtig geworden nach all den sächsischen Skandalen?

Das Rathaus zeigt Verbundenheit mit dem großen Partner aus Leipzig. Zwei Fahnen mit dem neuen Leipziger Logo sind gehisst, und Oberbürgermeister Arno Pöker sagt in seinem Arbeitszimmer: „Ich habe mich gefreut, dass es Leipzig geworden ist, weil ich sehe, dass es auch ein Signal für Ostdeutschland ist.“ Aber hat er sich nicht gerade in den vergangenen Wochen geärgert, dass im April nicht doch Hamburg gewählt wurde? Der SPD-Politiker setzt die Brille ab, reibt sich die Augen und fragt: „Warum?“ Weil Hamburg nah ist und mit seinem Konzept „Spiele in der City und Spiele am Wasser“ so gut gepasst hätte zum Segelstandort Rostock. Pöker sagt: „Ich habe nie darüber nachgedacht, was gewesen wäre, wenn die Entscheidung im April anders ausgegangen wäre. Jede andere Diskussion wäre jetzt Harakiri.“

Andere in Rostock haben nicht nur eine Sekunde nachgedacht, sondern trauern immer noch einer verpassten Chance nach. Doch nur hinter vorgehaltener Hand wird in Rostock abwertend über Leipzig gesprochen. Die Leipziger führten sich teils eitel und teils ängstlich auf, heißt es. Pöker sagt so etwas nicht. Er habe den Leipzigern auch dann Ratschläge gegeben, wenn sie nicht danach gefragt hätten. Wenn er Kritik an Leipzig äußert, dann allenfalls indirekt: „Wir tun etwas richtig Gutes zum Konzept dazu: Wir bieten Spiele ohne Wege, ohne Infrastruktur- und Beherbergungsprobleme.“

Dass Rostock andere Ziele mit der Olympiabewerbung verfolgt als Leipzig, das zeigt schon der Auftritt des Oberbürgermeisters. Pöker will nicht die Geschichte einer Heldenstadt erzählen wie sein Kollege Wolfgang Tiefensee. Gefühle würden sie ihm in Rostock ohnehin nur schwer abnehmen, dem Westdeutschen, der mit seiner Designerbrille aussieht wie ein leitender Mitarbeiter einer Unternehmensberatung. Olympia ist genauso ein Stadtentwicklungsprojekt, wie es die Internationale Gartenausstellung war. „Wir wollen die wichtigste Hafenstadt im Ostseeraum werden“, sagt Pöker, „und wir wollen die Segelstadt in Deutschland werden.“

Auch ohne Olympia wird gebaut

Auf dem Weg dorthin hat die Olympiabewerbung Rostock schon vorangebracht. Im Frühjahr beginnen die Hochbaumaßnahmen für eine Hotelanlage am neuen Jachthafen. „Ohne Olympiabewerbung würde der neue Jachthafen nicht gebaut werden, und ohne den Jachthafen hätten wir uns nicht getraut, uns für die Segel-Weltmeisterschaften 2007 zu bewerben“, sagt Pöker. Weil nach Pökers Schätzung zwei Drittel der 77 Projekte aus dem Rostocker Masterplan auch ohne Olympia verwirklicht werden, scheint es, als habe Rostock gar nicht viel zu verlieren. Um den Rostocker Anteil an der Olympiabewerbung ist es ohnehin etwas ruhiger geworden, seitdem Harald Lochotzke nicht mehr mitmischt. Der Unternehmer war Präsident des privaten Fördervereins „Olymp- Club Rostock“. Wegen seiner Tätigkeit als Inoffizieller Mitarbeiter der Stasi musste er zurücktreten. Daran hatte der Oberbürgermeister entscheidenden Anteil. „Ich wollte nicht, dass in Deutschland über Stasi diskutiert wird, sondern über Olympia. Wir waren gut beraten, so zu handeln, wie wir es getan haben“, sagt Pöker. „Ich habe gehofft, dass das Thema auch in Leipzig so schnell gelöst wird.“

Ein bisschen Unruhe herrscht im Moment gleichwohl im Rathaus. „Der Spiegel“ hat für die nächste Ausgabe einen großen Verriss von Pökers Politik angekündigt. Es heißt, das Magazin wolle sogar eine Verbindung zwischen Pöker und Lochotzke konstruieren. Das Olympiabüro der Stadt sitzt nämlich noch in Räumen, die Lochotzke gehören. Und erst kürzlich hat der Unternehmer den Zuschlag für die Bebauung eines Filetgrundstücks am Strand bekommen. Pöker lehnt sich zurück und sagt: „Ich sehe keinen Skandal.“ Den Zuschlag für das Grundstück habe Lochotzke noch vor Bekanntwerden seiner Stasi-Mitarbeit erhalten.

Von seinem Dienstzimmer schaut der Oberbürgermeister auf den Markt und die Marienkirche. Hinter der Marienkirche in einem Restaurant erzählt Lochotzkes Nachfolger von seinen Ideen. Hansjörg Kunze, Chefreporter beim privaten Radiosender „Antenne Mecklenburg-Vorpommern“, ist vor einigen Tagen zum neuen Präsidenten des Olymp-Club gewählt worden. „Ich stehe auch für eine Zäsur“, sagt er. „Es gab selten ein Thema, über das so viel diskutiert worden ist wie über den Fall Lochotzke.“ Er sei nun dafür, dass das Olympiabüro zusammen mit dem Olymp-Club in neue Räume ziehe. Die Bewerbung würde damit noch weiter von Lochotzke abrücken.

Der Olymp-Club ist neben der Stadt der einzige Akteur der Bewerbung, auch Gegner hat die Kampagne bisher nicht viele hervorgebracht. „Unsere Rolle bei der Gesamt-Bewerbung ist bescheiden“, sagt der frühere Leichtathlet Kunze, der bei Olympia 1988 Bronze über 5000 Meter gewonnen hat. „Ich bin ungeduldig, hätte gern noch mehr Aktionen“, sagt Kunze und schlägt vor: überall die Zeichen der Internationalen Gartenausstellung durch Zeichen der Bewerbungskampagne ersetzen. Das würde zumindest den ersten Eindruck verändern, den Rostock seinen Besuchern zurzeit vermittelt.

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