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Spaß im Schnee. Eric Frenzel mit Freundin und Kind.

© Stefanie Herbst / Frau im Spiegel

Leistungssport und Nachwuchs: Ihr Kinderlein, kommet

Spitzenathleten, die junge Eltern sind, stehen oft vor der Frage: Sport oder Familie? Manche nehmen ihre Kleinen mit um die Welt – und haben vor den Rennen keine stille Nacht.

Von Katrin Schulze

An Weihnachten kommt der Mann aus dem Fernsehen nach Hause. Philipp hat ihn vor dem Bildschirm angefeuert, immer wenn er die Schanzen hinuntergesprungen und die Loipen entlanggewetzt ist. Traurig war er, wenn es mal nicht so lief, und er ist jubelnd durch die Gegend geflitzt, wenn es – wie so oft – für vordere Plätze reichte. Wochenende für Wochenende. Jetzt darf er mit ihm ein paar besinnliche Tage verbringen, mit Eric Frenzel, seinem Vater.

Philipp kennt es nicht anders. Der Winter ist für ihn die Jahreszeit, in der Papa als deutscher Sportstar im Fernsehen auftritt. „So ist er groß geworden“, erzählt Eric Frenzel. „Zu Saisonbeginn komme ich zwischen den Weltcups gar nicht heim, höchstens mal für einen Abend.“ Ein paar Gespräche per Skype sind dann alles, was der 22 Jahre junge Nordische Kombinierer und sein Sohn voneinander haben.

Vor fünf Jahren hätte Frenzel denjenigen für verrückt erklärt, der ihm diese Zukunft prophezeit hätte. Seine Freundin war gerade 15, als sie schwanger wurde und das Leben des jungen Paares auf den Kopf stellte. Sie war Langläuferin und auch sie wollte große Karriere machen – bis zu dem Zeitpunkt, an dem ihr die Frauenärztin gratulierte. "Zu Beginn waren einige vielleicht etwas irritiert, wir waren ja selbst überrascht", sagt Frenzel, der mit seinen weichen Gesichtszügen und dem schelmischen Grinsen auch jetzt noch aussieht wie ein Teenager.

Doch was damals als kleine Überraschung begann, bringt ihm und seiner Freundin inzwischen große Freude. Aufgeregt berichtet Frenzel davon, wie sein Vierjähriger es dank des berühmten Vaters zum kleinen Experten in Sachen Wintersport gebracht hat. „Er weiß sofort, ob ich weit oder kurz gesprungen bin. Und er kann fast alle Starter mit Namen aufzählen.“ Ohne die „Riesenunterstützung“ der Familie würde Frenzel wohl trotzdem keinen Leistungssport mehr betreiben. Wer weiß, wer dann Anfang des Jahres in Oslo Weltmeister geworden wäre.

Leistungssport und Kind – bei Männern mag das funktionieren. Aber bei Frauen?

Die Tochter von Skeletonpilotin Kerstin Szymkowiak war beim wichtigsten Rennen ihrer Mutter im Bauch dabei.
Die Tochter von Skeletonpilotin Kerstin Szymkowiak war beim wichtigsten Rennen ihrer Mutter im Bauch dabei.

© dpa

Für Kerstin Szymkowiak ist das undenkbar, obwohl ihr Kind beim wichtigsten Rennen der Karriere live dabei war. Es fuhr bei den Olympischen Spielen 2010 mit zur Silbermedaille im kanadischen Whistler. Szymkowiak merkte „vier, fünf Wochen vor den Spielen, dass irgendetwas nicht stimmt“. Dass sie schwanger startet, hatte sie damals nicht einmal ihrem Mann erzählt. Beinahe zwei Jahre ist das nun her, und es gibt Momente, in denen die 34-Jährige ihr Leben in der Wintersportwelt vermisst. „Zu Beginn der Saison hatte ich schon schwer daran zu knabbern “, erzählt sie. Wehmütig verfolgte sie, wie ihre früheren Kolleginnen sich kopfüber in die Eisrinne stürzten.

Trotzdem kann sich Szymkowiak nicht vorstellen, Kind und Karriere zu vereinbaren – nicht mehr, genauer gesagt. „Früher dachte ich, das wäre einfacher.“ Aber spätestens seit sie gemerkt hat, wie viel Aufmerksamkeit die kleine Noalie benötigt, hat sich das Thema für sie erledigt: „Ich denke, dass ich mich überhaupt nicht genug auf den Sport konzentrieren könnte, wenn das Kind dabei wäre.“ Von einem geregelten Trainingsablauf ganz zu schweigen.

Und dann ist da ja noch die Sache mit dem finanziellen Mehraufwand. Gerade in einer Sportart wie Skeleton, in der man auch mit einer Olympiamedaille keine Reichtümer anhäuft, sei es schwierig, die zusätzlichen Reise- und Verpflegungskosten für Kind und Babysitter zu stemmen, glaubt Szymkowiak. Schon in ihrer aktiven Zeit hat sie immer mit einer Mischung aus Bewunderung und Verwunderung auf Starterinnen wie Shelley Rudman geschaut, die ihr Kind genauso wie ihre Schwiegereltern bei jedem Weltcup dabei hat. Kerstin Szymkowiak sagt, sie wäre da „wohl irgendwann mit den Nerven am Ende“.

Dennoch gibt es ein paar Sportlerinnen, denen es ziemlich gut gelungen ist, trotz Kind nervenstark zu bleiben – sie sind allerdings die Ausnahme. In der jüngeren Vergangenheit haben sich zum Beispiel die Geherin Melanie Seeger aus Potsdam, Snowboarderin Amelie Kober, Biathletin Olga Zeitseva oder die Tennisspielerin Kim Clijsters nach einer Babypause zurückgekämpft.

Die weltweit wohl prominenteste Sportlermutter allerdings heißt Dara Torres und holte 2008 zwei Jahre nach der Geburt ihres Kindes zweimal olympisches Silber im Schwimmbecken von Peking. Aber auch Gunda Niemann, Heike Drechsler oder die Ruderin Kathrin Boron feierten einst erfolgreiche Comebacks nach Geburten; die härteste Zeit ihres Lebens sei das gewesen, hat Boron einmal gesagt.

Meredith Michaels-Beerbaum findet es manchmal selbst unglaublich, wie sie das alles bewerkstelligt. „Es ist sehr, sehr anstrengend“, sagt sie. „Man ist müde, weil man keine ruhige Nacht hat und man ist ständig besorgt, ob es der Kleinen auch gut geht.“ Doch der Ehrgeiz schlägt die Müdigkeit und Sorgen der 41-Jährigen. Schon während der Schwangerschaft bereitete sie sich quasi auf ihr Comeback vor, sie versuchte, sich viel zu bewegen und fit zu bleiben. Mit Erfolg.

Meredith Michaels-Beerbaum mit Familie.
Meredith Michaels-Beerbaum mit Familie.

© picture alliance / dpa

Keine fünf Wochen nach der Geburt ihrer Tochter saß Michaels-Beerbaum schon wieder bei einem Turnier im Sattel, sechs Wochen danach gewann sie einen Großen Preis, nach acht Wochen holte sie mit der Springer-Equipe Gold. Und die kleine Brianne ist immer dabei, die halbe Welt hat sie so schon gesehen. Wenn ihre Mutter bei einem Turnier antritt, kümmern sich Mann Markus, ebenfalls Springreiter, oder ein Kindermädchen im Hintergrund um die fast Zweijährige.

Im Moment des direkten Wettkampfs versucht die Reiterin zu trennen zwischen der Mutter Michaels-Beerbaum und der Leistungssportlerin Michaels-Beerbaum. „Aber das gelingt natürlich nicht immer.“ Einfacher ist es in der Vorbereitung, wenn Meredith Michaels-Beerbaum zu Hause trainiert, während sich ihr Kind bis 14 Uhr in der Spielgruppe vergnügt. Viel Disziplin erfordert das und noch mehr Organisationstalent. Genaue Planung ist vonnöten, aber auch Kompetenz im Improvisieren. „Man muss versuchen, einen Rhythmus im Alltag zu finden, damit alles klappt“, sagt Michaels-Beerbaum.

Kinder verändern das Sportlerleben massiv. Sie können es jedoch auch im positiven Sinne beeinflussen. So verbissen wie früher ist Meredith Michaels-Beerbaum im Springreiter-Parcours jedenfalls nicht mehr. „Die erste Priorität hat natürlich meine Tochter“, sagt sie und lacht laut auf. „Das macht viel aus. Wenn ich mal einen Abwurf habe, ärgere ich mich nicht mehr so, weil ich weiß, es gibt wichtigere Dinge.“

Auch Eric Frenzel geht nach eigenen Angaben „vielleicht etwas gelassener“ in die Wettbewerbe der Kombinierer, seit er einen kleinen Sohn zu Hause weiß. Vor allem aber merkt der 22-Jährige, dass er reifer ist als Gleichaltrige, „ich musste ja schon früh Verantwortung übernehmen“. Statt wie seine Kumpels auf Partys zu gehen, wechselte er Windeln. Tauschen möchte Eric Frenzel aber nicht. „Es ist super, so wie es ist“, sagt er, auch wenn er seine Freundin und den Sohn auf Reisen sehr vermisse.

Die Zeit zu Hause in der Oberpfalz genießt der Nordische Kombinierer dafür umso mehr – vor allem, weil „ich bei meinem Sohn dann natürlich im Fokus stehe“. Für diese Momente ist Eric Frenzel nur noch Vater und kein Wintersportstar, der hin und wieder im Fernsehen auftaucht.

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