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Sport: Lesotho trainiert für Olympia

In Bad Saarow in Brandenburg üben zwei afrikanische Springreiter für Peking 2008

Berlin. Das Pferd hat keine Lust. Dabei ist das Hindernis gerade mal einen Meter hoch, der Sprung wäre ein Kinderspiel, aber der Fuchs schlägt mit dem Schweif und legt die Ohren an. Refiloe Elia Ramolahloane nimmt die Zügel kürzer und treibt sein Pferd auf die Hürde zu. In letzter Sekunde stemmt der Fuchs die Hufe in den Boden. Ramolahloane seufzt und wendet. In so einer Situation ist man machtlos. Bei Nkahabane David Mokala läuft es besser. Der 26-Jährige bringt sein Pferd problemlos über die Stangen. Ramolahloane seufzt noch mal – und startet einen neuen Versuch. Diesmal springt sein Fuchs über die Stange. Kai Ottens, der Trainer, ist zufrieden. „Okay, boys, that’s it“, sagt er.

Königliche Unterstützung

Die Boys kommen aus dem Königreich Lesotho, einer unabhängigen Enklave mitten im Staat Südafrika, und in der Reithalle von Bad Saarow machen sie gerade völlig neue Erfahrungen. Springreiten kennen sie nicht, Pferde, die vor Hindernissen verweigern, auch nicht. Aber gerade aus diesem Grund sind sie hier. Drei Monate bleiben sie in Brandenburg, um das Springreiten zu lernen. Elia Ramolahloane und David Mokala wollen für Lesotho bei Olympia starten. Noch nie haben schwarzafrikanische Springreiter daran teilgenommen. Peking 2008 ist das Ziel. „Peking ist realistisch“, sagt Kai Ottens, der Trainer. 2004 in Athen hält er für unmöglich.

Aber ist es nicht genauso unmöglich, dass zwei Reiter aus Lesotho in Brandenburg für Olympia trainieren? Die Idee hatte Steffen Gentes, als er 1999 nach Lesotho reiste, um dort reiten zu lernen. In dem Land ist das Ponytrekking die größte Touristenattraktion. Das Pferd ist wichtigstes Transportmittel. Die unwirtlichen Bergregionen zum Beispiel lassen sich nur mit den trittsicheren Basotho-Ponys erreichen. Auch die Polizei ist meist als berittene Patrouille unterwegs. Gentes fragte sich, warum diese Reiternation keine Reiter zu olympischen Wettkämpfen schickt. Es lag einfach daran, dass Springreiten in Lesotho völlig unbekannt ist.

Das Thema ließ Gentes keine Ruhe. Er fragte seinen Reitlehrer Kai Ottens: „Kannst du dir vorstellen, Afrikaner im Springreiten zu unterrichten?“ Ottens konnte. Gentes unterbreitete dem Botschafter von Lesotho in Deutschland seine Idee und bat um eine Audienz bei König Letsie III. Gentes reiste wieder nach Lesotho, sprach den König, erhielt dessen Zustimmung und gründete schließlich die Königliche Reiterliche Vereinigung von Lesotho – mit Sitz in Berlin. Gesponsert wird sie vom Alwin-Schockemöhle-Pferdesportzentrum in Bad Saarow.

Cool Runnings in Deutschland

Zwei afrikanische Reittalente wurden für das Unternehmen Olympia ausgewählt: Mokala begleitete vorher Touristen durch Lesotho, der 28 Jahre alte Ramolahloane ist eigentlich Polizist. Jetzt trainieren sie jeden Tag drei Stunden. Heiligabend kehren beide in ihre Heimat zurück, um dort die europäische Reitweise zu verbreiten und die Pferde entsprechend auszubilden.

Ottens glaubt an das Projekt: „Die Jungs sind hochmotiviert. Schon nach drei Wochen beherrschen sie die Grundlagen der europäischen Reitweise. Das ist sensationell.“ In Lesotho wird anders geritten als hier. Die Pferde sind kleiner, und „sie sprechen quasi eine andere Sprache“, sagt Ottens. Mokala und Ramolahloane haben sich inzwischen mit den deutschen Pferden angefreundet. „Wir kommen gut klar mit ihnen. Langsam können wir uns auch mit ihnen verständigen“, sagt Mokala.

Beide haben ihr Heimatland zum ersten Mal verlassen. In der Friedrichstraße wollten sie sich neue Turnschuhe kaufen. So viele verschiedene Modelle hatten sie noch nie gesehen. Mokala und Ramolahloane konnten sich nicht entscheiden und gingen ohne Schuhe aus dem Laden.

Die Geschichte erinnert ein wenig an die wahre Begebenheit, die vor einigen Jahren in dem Kinohit „Cool Runnings“ verarbeitet wurde: Die Sonneninsel Jamaika stellte eine Bobmannschaft für die Olympischen Winterspiele bereit. Auch der Weg von Ramolahloane und Mokala soll verfilmt werden. Das Trainingslager wird von einem Dokumentarfilmer begleitet. Für den Fall, dass sportliche Erfolge ausbleiben, wäre wenigstens die außergewöhnliche Form von Entwicklungshilfe für die Nachwelt festgehalten. Die beiden Reiter aber sind sicher, dass sie ihr Ziel erreichen werden. Sie träumen sogar von einer olympischen Medaille. Am Wochenende werden sie zum CHI in die Messehalle fahren. Um sich schon mal anzusehen, was ihre Konkurrenten so draufhaben.

Nina Sarrazin

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