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Sport: Letzte Ausfahrt vor der Pleite

Wenn einem Unternehmen die Insolvenz droht, müssen die Mitarbeiter um ihren Job und den noch ausstehenden Lohn bangen. Doch sie müssen sich nicht alles gefallen lassen

Von Jörg Hennig

Deutsche Unternehmen stellen derzeit traurige Rekorde auf: Noch nie gab es so viele Insolvenzen hierzulande. Allein im vergangenen Jahr waren es mehr als 40 000 – und das hat neben dem Verlust des Arbeitsplatzes für Arbeitnehmer oft noch weitere Konsequenzen: Bevor sie in die Arbeitslosigkeit geschickt werden, bekommen sie mitunter ihre Löhne nicht oder erst mit Verspätung ausgezahlt. Ist die Firma dann pleite, trauern die Mitarbeiter beträchtlichen Summen hinterher. Doch völlig recht- und schutzlos sind sie nicht. Es gibt Möglichkeiten, den Schaden in Grenzen zu halten.

So werden viele Arbeitnehmer in einer Notsituation des Arbeitgebers mit einer fristlosen Kündigung überrascht. Doch das müssen sie nicht hinnehmen. Selbst Zahlungsunfähigkeit begründet keine fristlose Kündigung – für den Arbeitnehmer gilt die vertragliche Kündigungsfrist. Gibt es einen Insolvenzverwalter, kann der lediglich mit einer Frist von drei Monaten kündigen.

Arbeitsrechtlich stehen Arbeitnehmer in dieser Hinsicht besser da: Denn zahlt der Arbeitgeber das Gehalt nicht oder nur schleppend, können sie das Arbeitsverhältnis – nach vorheriger Abmahnung – fristlos kündigen. Für denjenigen, der Chancen auf eine neue Beschäftigung besitzt, ist das ein Weg. Wer allerdings keinen neuen Job in Aussicht hat, sollte vorsichtig sein, denn möglicherweise gelingt die Rettung des Unternehmens doch noch, und dann wäre der alte Arbeitsplatz weg.

Außerdem kann durch eine zu frühe Kündigung die Möglichkeit entfallen, in voller Höhe Insolvenzgeld vom Arbeitsamt zu erhalten. Mit dem Insolvenzgeld übernimmt die Behörde Lohnrückstände des Arbeitgebers in einer Höhe von bis zu drei Monaten. Einer der ersten Wege sollte den Arbeitnehmer deshalb dorthin führen.

Ein Arbeitnehmer kann aber auch anders reagieren. Er kann seine Arbeitskraft zurückhalten, wenn der Arbeitgeber mit circa eineinhalb Gehältern im Rückstand ist. Das heißt: Er kommt nicht mehr zur Arbeit und behält trotzdem seinen Lohnanspruch für diese Fehlzeiten. Damit lässt sich erheblicher Druck auf die Arbeitgeberseite ausüben. Doch dieses „Zurückbehaltungsrecht“ muss vorher in jedem Fall schriftlich angekündigt werden und bezieht sich nur auf die eigene Arbeitskraft. Verboten ist es daher, Firmeneigentum wie Notebooks oder Handys nicht an den Arbeitgeber zurückzugeben. Denn das wäre Unterschlagung. Ein Stolperstein in Arbeits- oder Tarifverträgen können so genannte Ausschlussfristen sein. Häufig sehen diese Fristen vor, dass ein Arbeitnehmer innerhalb weniger Monate (zum Teil sogar innerhalb eines Monats) seinen Gehaltsanspruch einklagen muss. Tut er das nicht, verfällt der Anspruch – und die Lohnforderung ist weg.

Kreist der Pleitgeier über der Firma, droht aber auch aus einer anderen Richtung Ungemach. Die Krankenkasse sollte spätestens dann aufgesucht werden, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer frei gestellt hat. Ansonsten können nämlich in bestimmten Konstellationen Versicherungslücken entstehen, zum Beispiel bei Schwangeren oder bei Personen, die keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld besitzen, weil sie noch nicht ein Jahr in der Firma beschäftigt sind. Die Praxis der Krankenkassen ist hier unterschiedlich. Wenn jedoch kein Versicherungsschutz mehr besteht, muss der Arbeitnehmer sich freiwillig versichern und die Beiträge selbst bezahlen.

Bietet ein Arbeitgeber den Abschluss von Aufhebungsverträgen mit Abfindungszahlungen an, ist Vorsicht geboten. Die Höhe einer Abfindungszahlung klingt zwar auf den ersten Blick oft verlockend. Doch Aufhebungsverträge können zu einer dreimonatigen Sperre für Arbeitslosengeldansprüche beim Arbeitsamt führen. Außerdem ist der Abfindungsanspruch nicht durch das Insolvenzgeld des Arbeitsamtes abgesichert, bei einer Pleite bekommt der Arbeitnehmer die Abfindung also häufig gar nicht mehr ausgezahlt. Und falls doch, verlangt der Fiskus meist einen Teil davon – dann wird aus der Hoffnung auf einen Geldsegen schnell eine herbe Enttäuschung.

Warnsignale rechtzeitig erkennen

Kommt es zur Insolvenz, prüft der Insolvenzverwalter nach geltendem Recht sehr genau, ob der Betrieb oder wenigstens Teile davon veräußert oder weitergeführt werden können. Ist das nicht möglich, so wird ein Insolvenzverwalter häufig „Betriebsbedingte Kündigungen“ mit einer Höchstfrist von drei Monaten aussprechen. Auch wer vertraglich eine längere Kündigungsfrist hat, muss in diesem Fall trotzdem gehen, kann aber noch Schadensersatzansprüche anmelden. Falls noch Geld da ist, erhält er hierauf einen Anteil aus der Insolvenzquote. Das ist zwar ein Trost, aber nur ein kleiner. Denn auf die Einlösung der Ansprüche muss man meist mehrere Jahre warten.

Wer sich all das ersparen will, hat nur eine Chance: Rechtzeitig einen neuen Job finden. Warnsignale, die die Finanznot des Arbeitgebers anzeigen, kann man manchmal frühzeitig erkennen. Insolvenzen kündigen sich oft über einen Zeitraum von mehreren Monaten an. Erste Alarmsignale bestehen etwa, wenn nicht mehr genug Arbeit vorhanden ist und die Mitarbeiter beginnen, Zeit „totzuschlagen“. Auch eine Häufung von Abmahnungen oder ausgesprochenen Kündigungen kann ein Indiz für eine bevorstehende Pleite sein. Schon dann sollten Arbeitnehmer auf Aufklärung drängen. Dafür ist der Betriebsrat die erste Anlaufstelle, wenn der Arbeitgeber sich selbst bedeckt hält. Denn der Betriebsrat hat gegenüber dem Arbeitgeber weit gehende Informationsrechte, die er zur Not auch einklagen kann.

Im besten Fall können in Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat sogar konstruktive Lösungen gefunden werden. Dann lassen sich vielleicht bedrohte Arbeitsplätze oder eine ganze Firma retten.

Der Autor ist Rechtsanwalt in Berlin mit dem Tätigkeitsschwerpunkt Arbeitsrecht.

Jörg Hennig

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