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Zwei sind einer zu viel. Während Nico Rosberg seinen Sieg in Barcelona feiert, sucht Lewis Hamilton schon das Weite.

© dpa/Estevez

Lewis Hamilton und der neue Vertrag bei Mercedes: Prost: "Das Gehalt zeigt, wen das Team höher einschätzt"

Formel-1-Legende Alain Prost spricht im Tagesspiegel-Interview über den Mercedes-Vertrag für Lewis Hamilton und was sich daraus für den Status von Nico Rosberg im Team ableiten lässt.

Von Christian Hönicke

Herr Prost, Sie sagen, das Geschäft eines Formel-1-Rennfahrers sei zu 95 Prozent Psychologie. Hat es Ihrem Piloten-Ego geschadet, dass Ihr Teamkollege Ayrton Senna damals bei McLaren deutlich mehr verdient hat als Sie?

Ich war nie neidisch. Ich habe nicht mal versucht herauszufinden, ob Ayrton mehr verdiente als ich oder einen längeren Vertrag hatte. Wenn er das doppelte Gehalt bekommen hätte, hätte es mich persönlich nicht interessiert. Ich war eher angefressen und unglücklich über die Psychologie dahinter. Darüber, dass man sehen konnte, wie viel mehr Unterstützung er vom Team bekam. Und natürlich ist das Gehalt auf eine Art auch ein Zeichen.

Es zeigt die Wertschätzung für den Fahrer innerhalb des Teams?

Natürlich. Wenn er viel mehr kassiert, dann heißt das, dass das Team ihn höher einschätzt. Neben dem technischen ist in der Formel 1 auch der menschliche Aspekt sehr wichtig. Wenn es eine Bevorzugung auf der menschlichen Seite gibt, kannst du das als Fahrer fühlen. Und wenn du der andere bist, ist das sehr, sehr schwierig.

Weltmeister Lewis Hamilton hat gerade einen neuen Vertrag bei Mercedes unterschrieben, der ihm deutlich mehr einbringen soll als seinem Teamkollegen Nico Rosberg. Hamiltons Vertrag hat auch eine längere Laufzeit, dazu hat er sich angeblich ausbedungen, die Siegerpokale, seine Siegerautos und auch die Fotorechte für sich selbst behalten zu dürfen. Wird Rosberg damit zur gefühlten Nummer 2 im Team?

Mercedes ist sehr professionell, sie machen das ziemlich gut. Nico ist intelligent, er weiß, beim Verhandeln kommt es auch aufs Timing an. Lewis ist Weltmeister, Nico nicht. Zwischen beiden ist eine Stufe, und Nico weiß, dass er selbst diese Stufe erklimmen und Weltmeister werden muss. Nico muss den Vertrag von Lewis mental außen vor lassen.

Rosberg sagt, die Beziehung zwischen beiden sei „neutral“. Aber muss er als Herausforderer nicht die Eskalation suchen, um auch im Team den Status quo anzugreifen und auf Hamiltons Stufe zu kommen?

Er hat einen anderen Ansatz. Nico ist sehr offen, er spricht viele Sprachen. Er ist ein netter Typ. Lewis ist viel kühler und weiß, was zu tun ist, um wirklich stark zu sein.

Rosberg ist zu offen und zeigt zu viele Emotionen für einen Rennfahrer?

Du kannst nicht am Morgen entscheiden, ab jetzt bin ich ein anderer. Das musst du sehr langsam tun. Nico muss zunächst mal Rennen gewinnen. Aber vielleicht muss er auch manchmal etwas kühler werden und ein wenig mehr so sein wie Lewis. Und das ist möglich. Manchmal ist es besser, nicht zu reden.

Hätten Sie als Teamkollege die Privilegien akzeptiert, die Hamilton nun offenbar bekommt?

Fast alle meine Teamkollegen hatten Privilegien, die ich nicht hatte. Als ich 1984 bei McLaren ankam, habe ich einen Nummer-2-Vertrag unterschrieben. Niki Lauda war die Nummer 1. Er hatte das Privileg, das Auto als Erster zu testen, und bekam alle neuen Teile zuerst.

Aber wie wird man dann selbst die Nummer 1?

Ich habe mir selbst gesagt: Ich muss ihn erst mal auf der Strecke schlagen, vielleicht ist die Situation im nächsten Jahr dann anders. Schwieriger für mich war, dass Ayrton und ich später offiziell gleichgestellt waren. Die Realität war aber ein bisschen anders. Ich habe immer zum McLaren-Teamchef Ron Dennis gesagt: Gib ein Statement raus, in dem steht, dass ich die Nummer 2 bin. Das wäre viel einfacher für mich. Denn so bringst du mich in eine Situation, in der ich als Meckerer und Jammerlappen dastehe.

Auch Hamilton hat offenbar einen sehr kurzen Draht in die Teamführung. Der Aufsichtsratschef Lauda brachte ihn quasi als Antrittsgeschenk zu Mercedes. Ist das ein Vorteil?

Ja, ein psychologischer. Das ist etwas, das du als Rennfahrer fühlst. Und das könnte ein Problem für Nico sein. Er wird keine technischen Nachteile bekommen, aber er hat einen Nachteil im Kopf. Der kann klein sein, aber den Unterschied machen.

Fühlt man sich dann wie das ungeliebte Kind in der Familie?

Ja. Das ist sehr schwierig für die Teamleitung, so etwas nicht offen zu zeigen. Der Teamchef hat da einen großen Einfluss.

Wie schaffen Sie das als Teamchef?

Wir hatten damals in meinem Formel-1- Team Olivier Panis und Shinji Nakano. Wir waren eher auf Oliviers Seite, weil er einfach besser war. Aber davon abgesehen, habe ich nie meine Vorlieben gezeigt. Sogar jetzt in meinem Formel-E-Team nicht, obwohl mein Sohn Nicolas da fährt. Wenn er am Samstag in Berlin gewinnt, schlägt natürlich mein Herz als Vater höher. Aber bei der täglichen Arbeit will ich keine Gefühle zeigen und Nicolas oder Sebastien Buemi bevorzugen. Dafür habe ich selbst zu sehr darunter gelitten.

Alain Prost, 60, ist vierfacher Formel-1-Weltmeister. Insgesamt feierte der Franzose bei 199 Grand-Prix-Starts 51 Siege. Seit 2012 ist Prost Markenbotschafter für Renault.
Alain Prost, 60, ist vierfacher Formel-1-Weltmeister. Insgesamt feierte der Franzose bei 199 Grand-Prix-Starts 51 Siege. Seit 2012 ist Prost Markenbotschafter für Renault.

© AFP

Beim Unfall zwischen Rosberg und Hamilton in Spa letztes Jahr musste Rosberg auf Druck des Teams seine Schuld einräumen und sich entschuldigen. Hätten Sie das in seiner Situation auch getan?

Ich denke, sie sind da etwas zu weit gegangen. Der Zwischenfall war natürlich nicht korrekt, und als Team willst du so etwas nicht sehen. Aber Rosberg hat ihn mit dem Frontflügel erwischt, und das kannst du nicht vorsätzlich machen, zumal dein Risiko größer ist, den Flügel zu verlieren. Jeder hat da überreagiert, auch das Team. Ich bin sicher, Nico hat die WM da verloren.

Wieso?

Psychologisch gesehen war es danach komplett anders für Nico. Einmal, weil er vom Team so behandelt wurde. Außerdem wurde er auch noch auf dem Podest ausgepfiffen. Ich habe das zweimal erlebt. Das war schrecklich, wirklich. Du kannst danach nicht mehr genauso unbefangen fahren wie vorher, selbst wenn du dir das einredest.

Hat Rosberg mit dem Sieg in Barcelona aus dem mentalen Tief gefunden?

Wir werden sehen, was hier am Sonntag in Monaco passiert. Nico hat noch nie zwei Rennen in Folge gewonnen, auch das ist ein Zeichen. Erst wenn er in Monaco auch noch gewinnt und vielleicht auch noch in Montreal, dann beginnt ein Prozess, der auch Lewis in Zweifel stürzt. Ich glaube, das Rennen hier ist entscheidend dafür, wohin der Weg von Nico in Zukunft führt.

Rosberg sagt oft, dass ihn nur seine eigene Performance interessiere. Ist er politisch nicht gewieft genug, um das Team auf seine Seite zu ziehen und sich dadurch Vorteile zu verschaffen?

Man müsste dichter am Team dran sein, um das zu beurteilen. Ich denke: Nico hat gezeigt, dass er Lewis auf der Strecke schlagen kann. Er hat aber noch nicht gezeigt, dass er ihn auch abseits der Strecke schlagen kann. Oder dass er ihn auf Dauer, während einer ganzen Saison, in Schach halten kann.

Es gibt die Geschichte, dass Sie bei Ferrari Italienisch als Besprechungssprache eingeführt haben, um den Engländer Nigel Mansell zu entnerven.

Das ist nur zur Hälfte wahr. Manche Ingenieure konnten nicht gut Englisch, die wollten sich lieber auf Italienisch unterhalten. Und das konnte Nigel dann natürlich nicht verstehen.

 

Rosberg ist ein Deutscher und in einem deutschen Rennstall. Müsste er daraus nicht mehr Vorteile ziehen?

Wenn es um Technik geht, muss man präzise sein. Ich denke mal, deswegen sprechen sie im Team alle Englisch.

 

Die Teamleitung spricht immerhin Deutsch.

Okay, aber ich glaube wirklich nicht, dass das ein Vorteil für Nico sein kann.

Haben Sie mit Ihrem geschulten Auge irgendwelche Schwächen bei Hamilton entdeckt, die Rosberg nutzen könnte? Zum Beispiel Eitelkeit?
Ich weiß nicht, ob das eine Schwäche ist. Ich habe ihn das letzte Mal zum Schluss seiner Zeit bei McLaren in einer schwachen Position gesehen. Momentan ist er sehr stark. Und wenn sich nichts ändert, wird er das auch bleiben. Nico muss sicher neue Dinge versuchen, aber er muss dabei auch seinem Charakter treu bleiben.

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