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Formel 1 - GP Malaysia - Hamilton

© dpa

Lewis Hamilton: "Wir haben viele Schranken eingerissen"

Formel-1-Weltmeister Lewis Hamilton über die Diskriminierung von Schwarzen und seine Motivation.

Herr Hamilton, würden Sie mit Absicht in eine Mauer fahren?



Nein, niemals.

Der frühere Renault-Pilot Nelson Piquet Junior soll das vor einem Jahr in Singapur gemacht haben, um seinem Teamkollegen Fernando Alonso zum Sieg zu verhelfen.

Keine Ahnung, man fragt mich ständig Sachen, die mich gar nichts angehen und denen ich auch keine Aufmerksamkeit schenke. Ich wusste bis vor ein paar Tagen nicht mal, dass Fisichella jetzt bei Ferrari fährt.

Aber Sie haben schon mitgekriegt, dass Mercedes angeblich das Brawn-Team übernehmen will, was den Ausstieg bei Ihrem Rennstall McLaren zur Folge haben könnte?

Ich weiß nicht, was da abgeht, ich habe mit niemandem gesprochen. Aber so viel ich weiß, sind sie immer noch unser Sponsor und ein riesiger Teil unserer Familie. Meine Partnerschaft mit Mercedes ist toll. Ich hoffe, dass sie bleiben.

Andernfalls würde noch mehr Verantwortung auf Ihnen lasten. Es hat ohnehin den Anschein, als trügen Sie Ihr Team nach dem WM-Titel im letzten Jahr in dieser schwierigen Saison auf Ihren jungen Schultern.

Ich versuche nur alles, das Team wieder zur Nummer eins zu machen. Ich arbeite die ganze Zeit dafür. Weltmeister zu sein und mehr Verantwortung zu übernehmen bringt eben ein bisschen mehr Reife mit sich. Das hoffe ich zumindest. (lacht)

Sie wurden 2008 als erster Schwarzer Formel-1-Weltmeister, kurz nachdem Barack Obama der erste schwarze Präsident der USA wurde. Was bedeutet Ihnen das?

Ich bin extrem stolz darauf. Als ich aufgewachsen bin, gab es einen Rapper, den ich immer gehört habe, und er hat gesagt: Wir sind noch nicht bereit für einen schwarzen Präsidenten. Dann kam Obama, und ich wurde nur zwei Tage danach der erste schwarze Weltmeister. Ich fühle mich sehr privilegiert, dass das praktisch gleichzeitig passiert ist, zu einer historisch sehr wichtigen Ära. Daran wird man sich erinnern.

Sehen Sie sich als Wegbereiter für die Öffnung eines einst weißen Sports?

Wir haben schon viele Schranken eingerissen, nicht nur ich. Man muss sich nur mal den Fußball anschauen: Der war bis vor ein paar Jahren noch von der weißen Kultur dominiert, jetzt steht er allen offen. Auch im Motorsport sehe ich jetzt viel mehr Schwarze oder Chinesen, die sich darin versuchen. Ich denke, diese Mauer ist eingerissen.

Werden Sie als bekennender Mandela-Verehrer nach Ihrer Rennfahrerkarriere für Menschenrechte kämpfen?

Ich habe nicht das Ziel, mich dem Kampf für Menschenrechte zu widmen. Nicht so wie Martin Luther King oder Nelson Mandela, die Menschen wie mir ermöglicht haben, hier zu sitzen. Man sieht immer noch Diskriminierung überall auf der Welt, aber es ist sehr viel weniger als früher. Ich werde mich vielleicht Kindern und jungen Menschen widmen und versuchen, ihnen aus der Armut zu helfen. Oder dabei, sich für Sport oder Rennfahren oder irgendwas statt für Drogen zu entscheiden. Schon wenn ich da einem Menschen helfen würde, würde mich das so stolz machen, dass ich glücklich sterben könnte.

Wird es vorher einen schwarzen britischen Premierminister geben?

Keine Ahnung. Aber das passiert bestimmt irgendwann.

Vielleicht werden Sie es ja sogar?

Ganz bestimmt nicht. (lacht) Ich mag Politik überhaupt nicht.

Aber Sie brauchen neue Herausforderungen, nachdem Sie sich mit 23 Ihren großen Traum vom WM-Titel erfüllt haben.

Ich liebe es, Rennen zu fahren. Und ich liebe es, in allem, was ich tue, wettbewerbsfähig zu sein, das ist wichtig für mich. Wenn ich mich ins Auto setze, weiß ich, es ist diese eine Sache in meinem Leben, die ich besser kann als fast alle anderen. Ich habe keine Probleme damit, morgens aufzustehen und zu trainieren. Ich denke an das nächste Rennen und daran, dass ich es gewinnen will.

Das sieht zwar für das Rennen in Monza mit der Poleposition gut aus, aber insgesamt war das diese Saison selten der Fall.

Letztes Jahr war es natürlich einfacher, weil ich wusste, ich habe ein Siegerauto. Dieses Jahr habe ich das nicht wirklich. Ich muss jetzt viel mehr Zeit und Energie darauf verwenden, das Team nach vorn zu bringen. Ich arbeite jetzt wirklich wie ein Weltmeister. Und ich habe immerhin schon wieder ein Rennen gewonnen.

Haben Sie nach dem WM-Titel nie gedacht: Okay, was soll ich jetzt machen?

Nun, ich liebe es, die Nummer 1 auf meinem Auto zu haben und als der Beste anerkannt zu werden. Aber dieses Jahr bin ich kein Titelkandidat, am Ende der Saison wird mir diese Nummer 1 vom Auto genommen werden. Und die will ich wieder zurück haben – das motiviert mich. Man kann immer besser werden, mehr Polepositions haben, mehr Rennen gewinnen und noch dominanter gewinnen. Außerdem gibt es ja noch den McLaren LM.

Den Supersportwagen, den Ihnen der frühere McLaren-Teamchef Ron Dennis versprochen hat, wenn Sie drei Titel holen?

Ja, ich will dieses Auto. Und dafür brauche ich noch zwei weitere Titel.

Bietet Ihnen der tägliche Kampf Ihres Bruders Nicolas, der an Kinderlähmung leidet, ebenfalls Motivation?

Er hat einen großen Einfluss auf mein Leben. Früher war ich manchmal frustriert, wenn ich ein Rennen nicht gewonnen hatte. Dann gab es da meinen jüngeren Bruder, der wirklich Probleme hatte. Aber er hat sich deswegen nie unterkriegen lassen, er hat immer den Kopf hoch gehalten. Das war eine der wichtigsten Erkenntnisse: dass ich nicht viel brauche, um glücklich zu sein. Manche Leute vergessen das, aber Nicolas ist immer da, um mich daran zu erinnern.

Sie scheinen Ihre Familie ohnehin gern um sich zu haben.

Das hier war immer ein Familiensport für uns. Wir waren schon immer zusammen unterwegs. Mein Dad war bei jedem meiner Rennen, seitdem ich acht bin. Bei jedem Rennen! Ich muss mal jemanden damit beauftragen, herauszufinden, wie viele das eigentlich waren. Mein Bruder ist auch oft dabei, auch meine Stiefmutter. Das ist gut zu wissen. Wenn ich ein Problem habe, ist immer jemand für mich da.

Gerade weil Ihr Vater Anthony ständig dabei ist, könnte der Eindruck entstehen, Sie seien eine Art Vatersöhnchen. Verspüren Sie kein Verlangen, sich mehr abzunabeln?

Ich sehe das nicht so. Natürlich könnte man mich leicht so bezeichnen, denn er ist ja auch mein Manager. Er ist halt da und schaut, ob alles in Ordnung ist. Aber ich lebe zum Beispiel ganz allein in Genf. Außerdem gibt es bei uns in Großbritannien nur die Bezeichnung Muttersöhnchen, nicht Vatersöhnchen. Höchstens Vaters Töchterchen. (lacht)

Interview: Christian Hönicke

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