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Unser Mann in Sotschi: Claus Vetter

© promo

LIEBESGRÜSSE  aus Sotschi (18): Das Bild muss weg!

Unser Olympia-Korrespondent Claus Vetter erzählte täglich Geschichten aus Sotschi. Zum Abschluss regt er sich noch einmal über das Bild auf, das hier lange stand.

Es klang ja nicht kompliziert. Kurz bevor ich mich nach Sotschi aufmachte, wurde ich gefragt, ob ich täglich eine Kolumne schreiben könne. Mache ich. Ist ja Olympia. Nachgedacht hatte ich zwar, denn an sich habe ich für journalistische Selbstdarstellung wenig übrig. Die Ichform mag ich nicht und ich fand es immer angenehm, dass mein Gesicht nur mir gehörte. Doch damit war es nun vorbei. „Lass mal ein Foto von dir hier“, hieß es. Eine schwere Aufgabe. Besonders fotogen war ich nie, meine Mutter hat zu analogen Zeiten stapelweise Bilder von mir vernichtet. „Junge, warum siehst du immer so bescheuert auf den Bildern aus?“ Weil mein Gehirn, sobald ich eine Kamera sehe, ohne auf mich zu hören in den Bescheuert-aussehen-Modus schaltet. Aber ich fand ein, wie ich dachte, passables Bild von mir. Das hinterließ ich den Kollegen. Das Motiv überlebte keine einzige Ausgabe, dafür wurde ein Zerrbild aus den Tiefen des Archivs hervorgekramt. Die Artdirektion wollte es angeblich so, es sei mehr Schulter zu sehen auf dem Bild. Eine vor sieben Jahren um acht Uhr morgens gemachte Aufnahme mit irgendeinem Kerl, der versucht, zehn Kilo Übergewicht wegzugrinsen. Ich hatte das besagte Bild mal auf dem Hausausweis, zum Glück ist es inzwischen bis zur Unkenntlichkeit verblichen. Es war ein Schock, ein tiefer Treffer, der mich die Spiele durchweg verfolgte.

Meine Mutter fragte: „Junge, wer ist das auf dem Foto?“ Meine Lebensgefährtin schimpfte über das „Quatschfoto“ und eine alte Bekannte schrieb mir entrüstet: „Ich habe ein scheußliches Foto von dir im Tagesspiegel gesehen. Weißt du schon davon?“ Ich wusste, ich litt, machte Selbstporträts, fragte Kollegen um Hilfe, schickte Fotos nach Berlin. Es wurde ein weiteres scheußliches Bild gewählt, mit Augenringen, wie mir eine Kollegin schrieb. Welch Wunder! Ein Marathonläufer ist nach 30 Kilometern ja auch nicht mehr so fotogen, dass er dann im Rennen Bewerbungsfotos von sich machen lässt. Das Gute ist nur: Jetzt habe ich es geschafft. Ich muss nicht mehr jeden Tag darüber philosophieren, ob ich nun zu eitel bin. Das Bild wird zwar weiter im Internet herumlungern, aber da ich nicht zu erkennen sei, sagt meine Mutter : „Ist das doch egal.“ Stimmt. Do swidanja!

Das war die letzte Geschichte unseres Korrespondenten aus Sotschi.

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