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Alte Kameraden. Blatter (links) und Platini.

© Patrick Kraemer/dpa

Liebesgrüße aus Moskau: Das Ende der Märchenonkel

Joseph Blatter, Michel Platini, Wolfgang Niersbach – vor vier Jahren waren sie Hauptdarsteller bei der WM. Heute spielen sie keine Rolle. Harald Stenger, bis 2012 Sprecher der Nationalmannschaft. macht den Anfang in unserer Kolumne.

Joseph Blatter – untergegangen im tiefen Sumpf der Fifa-Korruption! Michel Platini – untergegangen in den dubiosen Machenschaften der Uefa auf sportpolitischem Terrain! Wolfgang Niersbach – untergegangen in den Turbulenzen der dilettantischen, um Vertuschung bemühten DFB-Pseudo-Aufarbeitung des Sommermärchen-Skandals.

Ohne damit eine Lobeshymne auf die bekannten Namen anstimmen zu wollen, muss man in diesen Tagen in leicht abgewandelter Form eines Marlene-Dietrich-Songs fragen: „Sag mir, wo die Bosse sind, wo sind sie geblieben?“

Vor vier Jahren gehörten sie noch zu den Hauptdarstellern der WM. In einem Nobelhotel an der Copacabana in Rio residierten sie in der zu einem Hochsicherheits-Trakt umfunktionierten Fifa-Zentrale auf Zeit.

Wie und eh je parlierte damals, als die Signale vom 2015 bevorstehenden Knall schon unübersehbar waren, der gut gelaunte Grandseigneur und Entertrainer „Sepp der Große“ bei allen passenden und unpassenden Gelegenheiten locker in sechs Sprachen, um sich gebührend als Ober-Guru in Szene zu setzen. Zugleich präsentierten sich im zerfallenden Hofstab des mächtigen Fifa-Bosses seine erbitterten Widersacher ebenfalls in bester Laune. Beispielsweise der oft muffig daherkommende, aber als Geschäftemacher ausgesprochen ausgeschlafen agierende Platini und sein nicht minder profilierungssüchtiger Freund Niersbach in der rauschenden Nacht nach dem deutschen Titelgewinn, als sie sich als Strahlemänner mit dem WM-Pokal ablichten ließen. Es war einmal… am Ende sind alle untergegangen.

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Die ehrenwerte Gesellschaft musste widerwillig abdanken

Anno 2018 werden sie nicht mal mehr eine Nebenrolle spielen. Niemand weiß derzeit mit letzter Gewissheit, ob sie nicht doch irgendwie bei dem WM-Spektakel dank alter Beziehungen kurzzeitig auftauchen. Doch eins ist klar: Ihre Zeit im großen Fußball-Business ist längst abgelaufen. Und es sind nicht die einzigen der Fifa-Entourage von einst, die nicht mehr gefragt sind. Wegen diverser Deals sind zwei, drei Dutzend Großkopferte, die Jahrzehnte die Geschicke des internationalen Fußballs lenkten, langfristig oder lebenslang gesperrt, so dass sie in Russland nur noch durch Abwesenheit glänzen. Angefangen bei Beckenbauer-Spezi Mohamed Bin-Hammam bis Jack Warner als globalem Inbegriff der Korruption im Fußball.

Die ehrenwerte Gesellschaft musste widerwillig abdanken – und wenn sie durch die Ermittlungen von deutscher und französischer Staatsanwaltschaft, Schweizer Bundesbehörde und FBI demnächst in den laufenden Verfahren trotz aller Dementis ganz offiziell der kriminellen Verfehlungen überführt und ihre Delikte mit mehr oder minder harten Strafen geahndet werden sollten, wird der letzte Lack ab sein bei den zu lange zu selbstherrlichen Fußball-Strategen.

Das einzig Traurige daran: Die Mauscheleien und Machtspiele des neuen Fifa-Präsidenten Gianni Infantino sind noch ausgeprägter als die in der Ära Blatter. Und das, obwohl laut der 2016 mit Glamour von den 211 Nationalverbänden verabschiedeten Satzungsänderung die operative Führung bei Generalsekretärin Fatma Samoura liegen sollte. Die Realität sieht anders aus.

- Harald Stenger war von 2001 bis 2012 Pressesprecher der Nationalmannschaft. Hier schreibt er im Wechsel mit Frank Lüdecke, Nadine Angerer, Jens Hegeler, Philipp Köster, Sven Goldmann und Roman Neustädter.

Harald Stenger

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