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Von Klinsmann lernen, heißt fliegen lernen: Ashley Young wird wegen seiner Schwalben kritisiert.

© dpa

Live von der Insel - Die Fußball-Kolumne über England: Verdammte Deutsche - warum Ashley Young Schwalben macht

Manchester Uniteds Ashley Young steht gerade wegen seiner Unsportlichkeit im Rampenlicht. Unser englischer Kolumnist erklärt, warum die Deutschen daran Schuld sind, besonders einer.

Jürgen Klinsmann ist an allem schuld. Bevor "Klinsi" für Tottenham spielte, war englischer Fußball eine durchaus sauberere Angelegenheit. Keiner machte Schwalben oder dachte überhaupt darüber nach. Klar, unsere Stadien gehörten zu den gefährlichsten der Welt. Klar, unsere Hooligan-Kultur war so übel, dass unsere Klubs jahrelang im europäischen Wettbewerb nicht spielen durften. Aber wir konnten immer stolz darauf sein, dass wir fair spielten. Wir waren zumindest nicht wie die fliegenden, täuschenden Ausländer.

Der Engländer betrügt ehrlich. Wenn er eine Regel verletzt, verletzt er auch ein Bein dazu. Wenn er ein zynisches Foulspiel macht, macht er das heroisch im Namen des Professionalismus. Wenn er dem Mittelstürmer den Kopf mit einer Flinte wegschießt, macht er das zumindest offen unter den Augen der Fans, des Schiedsrichters und, hoffentlich, der Polizei.

Der Ausländer (ihr gehört übrigens alle zu ein und derselben, unbritischen Nation) ist hingegen schlau. Er fliegt, er simuliert. Noch schlechter ist, dass er den Engländer ermutigt, solche überflüssigen Schikanen zu akzeptieren und zu imitieren. Jahrelang hatten wir eine höhere Moralität. Jetzt ist unser Fußball genauso schmutzig wie der der Ausländer.

Nehmen wir mal Ashley Young als Beispiel. Young ist ein Spieler, der früh merkte, dass sein Talent allein nicht ausreichen würde, um sich als Stammspieler bei Manchester United zu etablieren. Trotz seiner wunderbaren Technik und seiner atemberaubenden Schnelligkeit hat Young keine Spielintelligenz. Er musste dann eine andere Stärke entwickeln. Deshalb hat er seine Delfinimitation perfektioniert.

Young gibt dem Begriff der Schwalbe eine neue Definition. Er macht das nicht wie Thomas Müller: das zynisch charmante Körpergliedbündel. Er macht das auch nicht wie Wayne Rooney, der zwei oder dreimal pro Spiel die Schlussszene des Films Platoon nachstellt. Young wird leicht berührt, springt zwanzig Meter in die Luft, macht dreimal einen Salto, landet, rutscht auf seinem Baum vom Spielfeld in den Spielertunnel, dann aus dem Stadion und hält erst auf dem Parkplatz an. Die Verbrennungen auf seinen Armen sind wirklich ekelhaft, der Arme.

Neulich ist seine Theatralik besonders in den Fokus gerückt. Im September ließ er sich im Spiel gegen Crystal Palace zu Boden fallen und ermöglichte damit den Platzverweis von Kagisho Digakcoi. Letzte Woche drehte er auch gegen San Sebastian eine elegante Pirouette und holte so für seine Mannschaft einen Elfmeter heraus.

Warum die Deutschen für unsere Schwächen verantwortlich sind

Das besondere Problem bei Young ist nicht, dass er Schwalben macht. Fast alle Spieler machen das, er sieht nur genauso lächerlich aus wie Didier Drogba damals aussah, als sein wie ein Schrank gebauter Körper von kleinen Siebzehnjährigen umgehauen wurde. Das Problem ist auch nicht, dass United Trainer David Moyes seinen Spieler nicht öffentlich kritisieren will, obwohl er diesen Ruf hat. Mit Manchesters Saisonauftakt hat er im Moment bestimmt größere Probleme.

Das besondere Problem mit Young wird von der Reaktion von Roy Keane illustriert. Nach dem Champions-League-Spiel gegen San Sebastian hat der ehemalige United-Kapitän Young erstmals vernünftig beurteilt: „Er hat den Schiedsrichter betrogen“, sagte Keane im Fernsehsender ITV. Dann äußerte sich der Ire in einer durchaus britischen Weise: „Dafür wird er in England kritisiert, aber wir sind gerade im Ausland, wo es immer akzeptabel ist.“

Verdammte Ausländer. Wenn sie nur Ashley Young stärker bestrafen würden, würde er es nicht machen. Seine Schuld ist es nicht. Wenn nur die Fans von San Sebastian ihn wegen seines Verhaltens angreifen würden, hätten wir kein Problem mehr. Wenn alle andere nur sehen würden, dass wir Briten einzigartig sind und ohne die Präsenz der Ausländer überhaupt nicht mogeln würden, dann hätten wir nicht diese irre Situation. Wobei wir leider zugeben müssen, dass ein englischer Spieler eines englischen Vereins gemogelt hat.

Young stellt für den englischen Fußball ein großes Dilemma dar. Wir können nicht mehr wie Keane behaupten, dass Schwalben und Betrug in anderen Ländern schlimmer sind. Übereinstimmende Verdammung reicht nicht. Jetzt haben wir nur eine Option: Wir müssen zur guten alten Taktik zurückkehren und die Deutschen für unsere Schwächen verantwortlich machen. Ohne den bösen Deutschen würden wir nämlich immer noch in einer Utopie leben, in der die Männer Männer sind, und man das Feld nur verlässt, wenn der Blutverlust lebensgefährlich wird. Dank dir, Klinsi, ist diese Welt für immer verschwunden.

Kit Holden (@kitholden) ist Engländer und arbeitet derzeit als Praktikant beim Tagesspiegel. Er schreibt auch über deutschen Fußball für die englische Tageszeitung "The Independent".

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