zum Hauptinhalt
Magie: Mourinho zauberte am Montagabend zum Sieg über Manchester City.

© imago

Live von der Insel - Die Fußballkolumne über England: Mourinho und der Masseur

José Mourinho hat sein Genie wieder einmal neu erfunden. Vergangenen Montag schaffte es der portugiesische Startrainer vom FC Chelsea, den unschlagbaren Konkurrenten Manchester City zu besiegen. Er hatte dafür sein ganz eigenes Rezept.

Es war zuletzt eine schwierige Zeit für José Mourinho. Ein gutes Beispiel dafür wäre sein Kommentar letzte Woche zur Spielweise von West Ham. Nachdem seine Mannschaft gegen die defensive Mauer der Hammers kein Tor schießen konnte, meckerte der Portugiese, dass West Ham „Fußball aus dem 19. Jahrhundert“ spiele.

Wie wir ihn dafür verdammt haben. Wusste er nicht, dass im 19. Jahrhundert nicht defensiv, sondern mit mindestens sieben Stürmern gespielt wurde? Zudem ist Mourinho der Mann, der 2010 eine unschlagbare Barcelona-Mannschaft besiegte und damit die Champions League mit Inter Mailand gewann: die Heuchelei war halt zu viel – auch für uns Briten.

Mourinho brauchte also eine Rettungsleine – einen Beweis, dass er doch noch ein Genie war. Und diesen leistete er auch sogleich am Montagabend im Spiel gegen Manchester City.

Und dieser 1:0-Sieg gelang seiner Mannschaft nicht gegen irgendein Manchester City, sondern gegen das Manchester City, das seit 2010 in jedem Heimspiel mindestens ein Tor geschossen hatte; das Manchester City, das alle schon als den kommenden Englischen Meister feierten. Egal, dass City erst eine Woche zuvor die Tabellenführung von Arsenal erobert hatte: die Mannschaft hatte ja darüber hinaus auch noch unglaubliche 68 Tore in 24 Spielen geschossen! Seit mindestens sechs Begegnungen schienen sie in der besten Verfassung aller europäischen Klubs! Sechs Spiele! Das ist praktisch eine Ära!

Für einen Abend konnte Mourinho das alles vergessen machen. Dazu alle Sorgen, unter denen er diese Saison so gelitten hatte. Weg war die Angst, dass Fernando Torres im Regnen schmelzen würde. Weg war die Befürchtung, dass seine Haarlinie so schnell schwindet, dass er bald wie Bobby Charlton aussehen wird. Zurück war der alte Mourinho. Effizient, taktisch perfekt, glänzend.

Chelseas Pressing gegen Yaya Touré war hervorragend (und originell: die normale Taktik gegen Touré ist, ihm so viel Platz wie möglich zu bieten, und zu hoffen, dass Gott ihn zu Boden schlagen wird). Zudem hat Mourinhos Team gezeigt, dass Martin Demichelis sogar noch schlechter ist, als wir alle dachten. Ein Wunder.

Dann, mit einer bärstarken (auch defensiven) Leistung, und einen Raketenlinksschuss von Branislav Ivanovic, machten sie den 1:0-Sieg perfekt.

Und wie konnte Mourinho nach seiner dunklen Phase plötzlich wieder derart zaubern? Er zuckte die Achseln: „Wir mögen große Spiele“. Mourinho zuckt oft mit den Achseln. Manchmal macht er das zur Irritation, manchmal aus Einbildung. Dieses Achselzucken bildet ein.

Aber wenn Mourinho mit seiner Taktik selbstzufrieden sein durfte, hatte er nach eigener Einräumung nichts mit der bewundernswerten Psychologie seiner Mannschaft zu tun.

„Vor dem Spiel habe ich die Spieler nicht angeredet,“ sagte er: „Das machte Billy – unser Masseur.“

Billy McCulloch, Chelsea Masseur, war bislang nur als ein fröhlicher aber nerviger Typ aufgefallen, der schlechte Witze auf ChelseaTV erzählt. Jetzt ist er wegen seiner Ansprache vor dem Spiel gegen Manchester City eine Legende. Obwohl niemand weiß, was er sagte.

„Ich konnte ihn nicht verstehen,“ sagte Mourinho, „er schrie so viel in seinem schottischen Akzent. Aber die Spieler haben geklatscht.“

Abgesehen davon, dass McCulloch aus der süd-englischen Stadt Swindon stammt und daher keine Spur eines schottischen Akzent hat, darf man die Idee nur bewundern. Wenn der begabte Linguist Mourinho das nicht verstehen konnte, konnten das wohl auch seine Spieler nicht. Im Chelsea-Kader gibt es nur fünf englische Muttersprachler, und nur zwei von Ihnen gehörten am Montag zur Startelf.

José Mourinho hat das Kabinegespräch neu erfunden. Weil der moderne Profi alle inspirierenden Reden aber schon tausend Mal gehört hat, lohnt es sich einfach, den komischen englischen Masseur vor dem Team schreien zu lassen. Klingt doof, aber es hat am Montagabend geklappt. Wir dachten, dass José Mourinho sein Talent verlor. Doch das Gegenteil ist der Fall. Der Mann ist wirklich ein Genie.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false