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Sport: Lob und Tadel

Nach dem Aus in der Olympia-Qualifikation gegen Holland suchen Deutschlands Volleyballer ihren Standort

Von Karsten Doneck, dpa

Gennadi Schipulin verdrehte die Augen. Fragen zu seiner Mannschaft hatte er ausführlich beantwortet, aber nun bat ihn ein Journalist noch um ein Urteil über den Gegner, die deutsche Volleyball-Nationalmannschaft. Schipulin, Trainer des Vizeweltmeisters Russland, geriet dadurch in Konflikt. Einerseits wollte er gegenüber dem Gastgeber der Olympia-Qualifikation ja nicht als unhöflich dastehen und allzu massive Kritik üben, andererseits ist er Fachmann genug, dass ihm Schwächen beim Gegner kaum verborgen bleiben. Also wählte Schipulin bei seiner Einschätzung der Deutschen den Mittelweg, eine Mischung aus Lob und Tadel. „Die Mannschaft gehört inzwischen zu den Besten der Welt. Aber vor zwei Jahren war sie bei der Aufgabe stabiler und kräftiger“, sagte er.

Schipulins Wertschätzung war dem Bundestrainer offenbar ein bisschen peinlich. Also bemühte sich Stelian Moculescu um Richtigstellung. „Immer mit der Ruhe“, sagte er. „Wir sind erst auf dem Weg dorthin. Um in der Weltspitze zu sein, musst du mal eine Zeitlang konstant oben sein.“ Die Deutschen hatten sich zwar beim Qualifikationsturnier in Leipzig trotz einer 0:3-Niederlage im letzten Gruppenspiel gegen Russland für das Halbfinale qualifiziert, aber dort war gestern gegen die Niederlande – wieder mit 0:3 (21:25, 23:25, 17:25) – Feierabend. Ruhmreich war das Abschneiden der Deutschen in Leipzig nicht. Nur ein einziger Sieg (3:0 gegen Bulgarien) sprang in den vier Spielen während des Turniers heraus, Athen war nie wirklich in Reichweite. Um die Fahrkarte zu den Olympischen Spielen streiten heute im Finale Holland und Russland.

Die Deutschen rangieren in der Weltrangliste vom Dezember auf Platz 23, noch hinter Australien und Tunesien. Russland ist Fünfter, Holland Zwölfter. Gegen diese beiden besser platzierten Mannschaften waren die Deutschen bei der Olympia-Qualifikation zwar nah dran an Satzgewinnen, doch vom 20. Punkt an zieht in die Mannschaft zu oft Unruhe ein. Einfach zu handhabende Aktionen werden plötzlich fahrlässig abgeschlossen, die Nervosität wächst, nichts gelingt mehr. Wolfgang Kuck, 36, der Mannschaftskapitän, weiß um dieses Versagen in entscheidenden Momenten. „Solche Bälle kannst du im Training nicht üben. Das passiert im Kopf. Dort muss man die Lösung finden“, sagt er.

Je mehr die deutsche Mannschaft in Spielen gegen große Gegner mit solchen engen Situationen am Satzende konfrontiert wird, desto gelassener wird sie in Zukunft damit umgehen. Das meint jedenfalls Moculescu. An den gegenteiligen Effekt, dass sich eine gewisse Angst vor dem entscheidenden Punktgewinn dauerhaft einschleicht, glaubt er nicht. Reifen könne die Mannschaft ohnehin nur, wenn sie sich häufiger mit wirklich schweren Gegnern misst. Werner von Moltke, der Präsident des Deutschen Volleyball-Verbandes, plädiert deshalb für die Gründung einer Europaliga.

Und wie steht es um die vom russischen Trainer Schipulin kritisierte Aufgabe bei den Deutschen? Moculescu bestätigt, dass seine Nationalspieler nicht mehr ganz so kraftvoll die Bälle übers Netz prügeln, wie das früher mal der Fall gewesen ist. Dahinter steckt taktisches Kalkül. „Wir haben bewusst das Risiko ein bisschen rausgenommen“, sagt der Bundestrainer. Grund: Die Zahl der Eigenfehler soll minimiert werden. Jedenfalls so lange, bis die Nationalspieler im Aufschlag mehr Sicherheit gewonnen haben. Das gelingt nur über „Training, Training und nochmals Training“, wie Moculescu sagt. Und er verspricht: „Wir werden auch wieder härter aufschlagen.“

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