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Sport: Lotterie um freie Fahrt

Was den Grand Prix in Monaco so schwierig macht

Platz in Monaco ist kostbar. Praktisch jeder Quadratmeter ist versiegelt und vermietet, im Hafen drängelt sich Yacht an Yacht, bis das Wasser nicht mehr zu sehen ist, und wer durch einen Tunnel fährt, kann sich sicher sein, dass darüber oder darunter ein weiterer durchs Gestein getrieben ist. Am Samstagnachmittag, von 14 bis 15 Uhr, wird im winzigen Fürstentum noch ein bisschen weniger Raum sein als sonst. Dann nämlich findet der eigentliche diesjährige Grand Prix von Monaco statt – das Qualifikationstraining zum Rennen am Sonntag. Seit zwei Wochen wird in der Formel 1 über kaum etwas anderes geredet als über den erwarteten Engpass in der Hafenstadt an der Côte d’Azur. „Stau, Behinderungen, Unfälle – man muss mit allem rechnen“, sagt Mario Theissen, der Teamchef von BMW-Sauber.

Das Hauptproblem ist der neue dreigeteilte Qualifikationsmodus im K.o.-Format. In den ersten beiden Phasen haben die Piloten jeweils 15 Minuten Zeit, um das Ausscheiden als einer der jeweils sechs am schlechtesten platzierten Fahrer zu verhindern. Im dritten Abschnitt fahren dann die verbliebenen zehn Piloten die Poleposition aus. Doch diesmal befürchtet selbst der Rekordweltmeister, dass er diese entscheidende Phase gar nicht erst erreicht. „Es ist ziemlich einfach möglich, bei den beiden ersten Versuchen rauszufliegen“, sagt Michael Schumacher. Eine gelbe Flagge, die Gefahr bedeutet und zum Langsamfahren mahnt, oder ein kleiner Fehler genügten schon, um eine Runde zu ruinieren.

22 Autos müssen sich die gut drei Kilometer Asphalt rund um den Hafen teilen. „Da ist es praktisch ausgeschlossen, dass jeder eine freie Runde bekommt“, sagt Weltmeister Fernando Alonso. Nicht auszuschließen ist dagegen, dass bei dieser Lotterie um freie Fahrt auch ein prominenter Fahrer scheitert. Ein Ausscheiden in einer der ersten Qualifikationsphasen wäre das Ende aller Siegchancen, denn während auf anderen Strecken das Überholen zumindest theoretisch möglich ist, hat in Monaco selbst das Bestreben, einen der begehrten Ankerplätze im Hafen zu ergattern, eine höhere Erfolgschance.

BMW-Pilot Nick Heidfeld hält es deswegen für angebracht, „früher auf die Strecke zu gehen und länger zu fahren als sonst, um eine freie Runde hinzubekommen“. Nico Rosberg dagegen hält diesen Ansatz für zwecklos. „Ganz am Anfang ist die Strecke noch zu dreckig“, sagt der Williams-Fahrer im festen Glauben an das Formel-1-Gesetzbuch. Das besagt nämlich, dass die Straßen von Monte Carlo von Runde zu Runde schneller werden, weil der Schmutz des normalen Straßenverkehrs erst allmählich verschwindet. Rosberg: „Wahrscheinlich ist es besser, am Schluss einer jeden Phase mit allen mitzuschwimmen.“ Noch wahrscheinlicher sind alle sorgsam ausgearbeiteten Strategien mehr oder weniger gleich nutzlos, weil das Glück entscheidet. Das glaubt zumindest Fernando Alonso: „Am Ende werden sowieso alle das Gleiche machen und zur selben Zeit auf der Strecke sein.“

Der Platzmangel ist beim laut Michael Schumacher „gefährlichsten Rennen des Jahres“ auch ohne störende Mitfahrer eklatant. Anthony Davidson beispielsweise verbremste sich am Donnerstag nur um eine Nuance; nichts, worüber man sich auf anderen Strecken Sorgen machen müsste. Die Trainingsfahrt des Honda-Piloten endete mit einem abgerissenen Vorderrad und einem zerstörten Frontflügel an der Leitplanke.

So wird auch das Rennen am Sonntag nach dem eigentlichen Grand Prix in der Qualifikation am Samstag zu einer 78 Runden langen Prozedur am Rande des Totalschadens. Aus der permanenten Gefährdung seiner Autos sieht BMW-Teamchef Theissen nur einen Ausweg: „Man müsste die Stadt umbauen.“

Christian Hönicke[Monte Carlo]

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