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Sport: Lust auf Leidenschaft

Warum die Schweden in Paris so stark sind

Paris. Es ist acht Jahre her, da fanden die Leichtathletik-Weltmeisterschaften in Göteborg statt. Die Gastgeber gewannen keine Medaille. Die Schweden hatten auch keine Stars mehr und, noch schlimmer, auch kein Geld. Die WM war ein großes Minusgeschäft. Das Defizit, auf dem der nationale Leichtathletik-Verband sitzen blieb, betrug fünf Millionen Euro. Fast wäre Schwedens Verband pleite gegangen. „Die Hälfte der Mitarbeiter musste entlassen werden, es gab keine Nationaltrainer mehr und kein Geld für Athleten“, erzählt Lennart Julin, schwedischer Sportjournalist und international bekannter Leichtathletik-Statistiker.

Acht Jahre später ist die schwedische Leichtathletik eine Sensation. Sechs Medaillen hatten die Schweden bei den bisherigen acht Weltmeisterschaften seit 1983 gewonnen und dabei nie mehr als zwei in einem Jahr. In Paris haben sie nach sechs von neun Wettkampftagen zwei Gold-, eine Silber- und eine Bronzemedaille. Heute und morgen dürften zwei hinzukommen: Die Siebenkampf-Siegerin von Paris, Carolina Klüft, zählt auch im Weitsprung zu den Favoritinnen. Gewinnt die 20-Jährige heute ihren zweiten Titel, wäre sie die erste seit Jackie Joyner-Kersee 1987, die dieses Doppel schafft. Morgen kommt noch der Hochsprung mit Europameisterin Kajsa Bergqvist.

Wie haben die Schweden das gemacht? Der Verband konnte mangels Geld nicht viel tun. „Unsere Athleten wurden aber trotzdem zu den internationalen Juniorenmeisterschaften geschickt. Außerdem initiierte der Verband mehrmals im Jahr Wochenend-Seminare, in denen eine Gruppe von talentierten Athleten unterrichtet wurde“, erzählt Lennart Julin. In dieser Gruppe waren unter anderen Kajsa Bergqvist und Stefan Holm, der in Paris im Hochsprung Silber gewann. Sehr viel mehr konnte der Verband nicht machen, es waren die einzelnen Vereine, die die Athleten unterstützten. Dabei spielte finanzielle Förderung keine Rolle. „Und das ist bei den Klubs heute immer noch so. Trotzdem starten alle Top-Athleten noch für ihren ursprünglichen Verein“, erklärt Julin.

Die Athleten, die in Paris Medaillen gewinnen, kommen alle aus Familien des Mittelstandes. Sie haben alle Abitur, manche studieren. Den Weg zur Leichtathletik haben sie alleine gefunden. Es gab dabei keinerlei Druck vom Elternhaus. „Aber die Eltern haben sie unterstützt“, sagt Julin. Seit Stefan Holm seinen Trainer verloren hat, ist sein Vater der Coach. „Es ist fast wie zu reinen Amateurzeiten. Sie sind ambitioniert und wollen alles geben. Sonnabends gibt es keine Parties, denn sonntags wird trainiert.“

Auch Geld spielt keine große Rolle. Der 27-jährige Holm lebt in einem Zwei-Zimmer-Appartement. Bei der Saisonplanung wird alles auf die Meisterschaften ausgerichtet, erst am Ende stehen die Meetings, bei denen es Geld zu verdienen gibt. Vergleichsweise Großverdiener sind Bergqvist und Christian Olsson, der in Paris Weltmeister im Dreisprung wurde. Beide wohnen in Monte Carlo. Das hat steuerliche Gründe, aber im Fall der Hochspringerin noch einen anderen: sie wollte ihre Ruhe haben. Sie lebte vorher in Stockholm, und wenn sie auf die Straße ging, wurde sie ständig angesprochen.

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