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Sport: Luxus für die Liga

Wenn am Sonnabend Hertha gegen Dortmund spielt, sind die Brasilianer auf dem Platz fast unter sich

Berlin. Huub Stevens schlug kürzlich vor, in der Fußball-Bundesliga sollte Deutsch künftig gewissermaßen die Amtssprache sein. Auf große Gegenliebe stieß Herthas Trainer dabei nicht. Es spricht einiges dafür, dass Stevens am Sonnabend im Olympiastadion mehr Portugiesisch als Deutsch hören wird. Dann treffen nämlich bei der Jahrespremiere jene Klubs aufeinander, die die meisten Brasilianer in ihren Reihen haben: Hertha BSC und Borussia Dortmund. Nicht weniger als neun der insgesamt 23 Bundesliga-Brasilianer stehen in ihren Reihen.

Als José Gilson Rodriguez, genannt Zezé, 1964 beim 1. FC Köln für lächerliche 500000 Mark anheuerte, muss er sich noch ziemlich einsam gefühlt haben. Zwar nahm kurz danach auch der MSV Duisburg mit Tagliari, der sich gemeinsam mit Zezé auf einem Bananendampfer eingeschifft hatte, einen Brasilianer unter Vertrag, doch Deutschland war damals noch keineswegs das Traumland der Kicker von der Copacabana. Wer hier spielte, der konnte die Hoffnung begraben, sich beim Trainer der Selecao ins Gespräch zu bringen. Wobei das Zezé und Tagliari allerdings ziemlich egal war, standen sie für die Nationalmannschaft ihres Heimatlandes ohnehin nicht zur Debatte.

Inzwischen ist Deutschland längst zur guten Adresse geworden. Weil sich bis nach Brasilien herumgesprochen hat, dass hier zu Lande – trotz aller Finanznöte im Zuge der Kirch-Krise – die Gehälter meist pünktlich gezahlt werden. Im Gegensatz zu Italien und Spanien, wohin es die Südamerikaner früher zumeist zog. Heute stecken die Spitzenklubs dort längst in den größten finanziellen Schwierigkeiten. Deutschland ist da trotz der aktuellen Krise eine gute Adresse. Im Land des Weltmeisters selbst herrscht ohnehin traditionell Geldflaute. Die Vereine können ihre Stars nicht bezahlen. Auch deshalb verlassen viele Brasilianer ihre Heimat, um in Deutschland ihr Geld zu verdienen.

Erschwinglich sind die Brasilianer dennoch nicht für alle Bundesligaklubs. Allein sechs (siehe Kasten) müssen – oder wollen – ohne sie auskommen. „Die Brasilianer sind Luxus für die Großen“, sagte einst Volker Finke, Trainer des SC Freiburg. Ein Luxus, den sich manche Vereine zwar leisteten, aber oft bereuten. Als Evanilson und Dede in Dortmund große Anpassungs- und Anlaufschwierigkeiten hatten, fragte ein Leserbriefschreiber in der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“, ob es denn zwei Länder mit dem Namen Brasilien gäbe. Eines, in dem Leverkusen einkaufe und eines, in dem sich Borussia Dortmund bediene. In Leverkusen hatte sich zu dem Zeitpunkt Lucio längst als Haupttreffer entpuppt. Auch, weil der Verein eigens einen Betreuer im Sold hatte, der bei der Eingewöhnungszeit mit Rat und Tat half. Bei anderen Klubs gibt es in der Beziehung beträchtlichen Nachholbedarf.

Inzwischen bereut man auch in Dortmund längst nicht mehr die hohen Investitionen für die Brasilianer, die laut Manager Michael Meier „offensives Spektakel garantieren“. Amoroso war in der Vorsaison Bundesliga- Torschützenkönig, Ewerthon liegt derzeit auf Rang fünf. Dass mit ihm, dem Bremer Ailton und Giovane Elber vom FC Bayern drei Brasilianer unter den ersten fünf rangieren, sagt genug.

Genau deshalb nehmen die Vereine ja vielleicht die kleinen Probleme in Kauf, die die „europäischsten aller Südamerikaner“ (Franz Beckenbauer) so mit sich bringen. Als Amoroso im Sommer seine lädierte Achillessehne wochenlang in seiner Heimat behandeln ließ, erboste das Trainer Sammer gewaltig. Als er jetzt wegen der Geburt seines zweiten Sohnes verspätet aus Brasilien zurückkehrte, machte Sammer erneut ein unglückliches Gesicht. Doch die empfindlichen Seelen der Brasilianer wollen gepflegt sein. Das wissen auch die Verantwortlichen von Hertha.

Am Sonnabend nun sind sie in Berlin fast unter sich. Hier Marcelinho, wohl auch Alves, vielleicht auch Luizao und Néné, dort Evanilson, Ewerthon und Dedé. Leandro, der Bruder Dedés, gehört zum Kader. Und Amoroso musste Sammer im Testspiel gegen Uerdingen beweisen, dass sich sein Zuspätkommen nicht nachteilig auf seine Form ausgewirkt hat. Immerhin schoss er beim blamablen 3:3 am Dienstagabend ein Tor.

Klaus Rocca

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