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Sport: Mach’s gut, große Welt

Mit Giovanni Trapattoni verabschiedet sich der VfB Stuttgart von ehrgeizigen Zielen – Veh wird neuer Coach

Mit dem Schnee kam der neue Mann nach Stuttgart. Als Armin Veh kurz vor elf Uhr an diesem Vormittag durchs Osttor des Gottlieb-Daimler-Stadions schritt, betrat er den einzigen Platz, auf dem der Winter dank Rasenheizung keine Spuren hinterlassen hatte. Rund um die eingeschneite schwäbische Metropole bewegte sich sonst wenig, als der neue Cheftrainer des VfB Stuttgart sein erstes Training abhielt. Giovanni Trapattoni war da schon weg. Heim nach Italien, nach Mailand. Lediglich ein dickes grünes „Großwörterbuch Italienisch“ auf dem Podium zeugte davon, dass er einmal hier gewesen sein musste. Dazu ein paar Werbeplakate in der Stadt, auf denen der 66 Jahre alte Italiener für Maultaschen wirbt. Am Abend zuvor hatten sie ihn und seine Assistenten, darunter den früheren Weltmeister Andreas Brehme, entlassen. Vier Millionen Euro an Abfindungszahlungen soll eines der größten Missverständnisse der Vereinsgeschichte gekostet haben, das sich in Zahlen so liest: Platz sieben in der Bundesliga, zwölf Unentschieden und lediglich 21 Tore in 20 meist sehr unansehnlichen Spielen.

Armin Veh soll nun schaffen, was die Klubführung Trapattoni nicht mehr zutraute: den Sprung in den Uefa-Cup. Das ist das Minimalziel und ein finanzielles Muss für den Verein, der sich ein kostspieliges Team und den klangvollen Namen Trapattoni leistete und lange von der Champions League träumte. Veh, 45 Jahre alt, einst Profi in Mönchengladbach und Bayreuth, ehemaliger Trainer in Fürth, Reutlingen, Rostock und zuletzt beim Regionalligisten FC Augsburg, erhielt einen Vertrag bis zum Saisonende, der im Erfolgsfall verlängert wird.

Spät am Donnerstagabend hatte die Vereinsführung Trapattoni ihren Entschluss mitgeteilt. „Das war unangenehm, einem solchen Welttrainer so etwas zu sagen“, berichtete Erwin Staudt, der Präsident, der zusammen mit Aufsichtsratschef Dieter Hundt die Verpflichtung noch im Sommer als großen Schachzug verkauft hatte. „Irgendwann, wenn du keine Hoffnung mehr hast, musst du eine Entscheidung treffen“, sagte er. Man habe Stillstand entdeckt und einen schleichenden Erosionsprozess befürchtet. Einen Tag vor dem Ligaspiel in Bielefeld und sechs Tage vor dem Uefa-Cup-Duell gegen Middlesbrough wollte Hundt die letzte Chance nutzen, den frustrierten schwäbischen Fans „mit einem neuen Gesicht frischen Wind“ zu verabreichen.

Veh trug noch die verdreckten Fußballschuhe vom Training, als er sich hinter die Mikrofone setzte. Auch das ist neu in Stuttgart, wo ein ganzer Klub zurück zu den Wurzeln zu eilen scheint. Der weltmännische Trapattoni trug Anzug und klagte über den dünnen Wein in Stuttgart. Jetzt wird Eberhard Trautner Assistenztrainer, den Trapattoni zu den Amateuren verbannt hatte. Das hatte gleich nach seinem Amtsantritt im August den ersten Krach ausgelöst. Trautner war Torwarttrainer für Timo Hildebrand. Den wollte Trapattoni sogar verkaufen, als der dagegen aufbegehrte. Präsident Staudt brach seinen Urlaub ab, um den Brandherd zu löschen. Am Ende gab es nur noch Brandherde – die Klubführung hatte zu lange zugeschaut. Staudt bekannte, er sei selbst nicht mehr gern ins Stadion gegangen. Die Wirtschaftsfachleute – Staudt war einst Deutschlandchef von IBM, Hundt Arbeitgeberpräsident – hatten sich bei der Trainerwahl grundlegend vertan.

Mit Armin Veh gehe man nun kein Risiko ein. Vor den Toren Stuttgarts konnten sich die VfB-Macher zwei Jahre lang von Vehs Qualitäten überzeugen. Mit dem SSV Reutlingen hatte Veh eindrucksvollen Offensivfußball spielen lassen. „Ich liebe das Kurzpass-Spiel“, sagte der gebürtige Augsburger. Das wird er in den kommenden Wochen in Stuttgart beweisen dürfen und kann so vielleicht einen „großen Fehler, den ich gemacht habe“ ausgleichen. „Ich steckte in einer Schublade, weil ich in Rostock selbst gegangen bin“, sagte Veh. 2003 war er als Trainer von Hansa Rostock zurückgetreten und nach Augsburg zurückgekehrt. „Da hieß es, der will ja gar nicht in der Bundesliga trainieren. Für mich ist das jetzt eine zweite Chance.“ Für das Team ist es die letzte. „Jetzt muss die Mannschaft eine Reaktion zeigen“, sagte Sportmanager Horst Heldt. „Es gibt keine Alibis mehr.“

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