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Sport: Macht mal Pause

Berliner Amateurfußballer dürfen an Wochenenden immer seltener spielen – Anwohner klagen über Lärm

Berlin - Der FC Nordost, aktueller Aufsteiger in die Fußball-Verbandsliga, führt die sonntägliche Mittagsruhe ein. Gezwungenermaßen. Das Bezirksamt Marzahn-Hellersdorf verfügte diese Einschränkung des Spielbetriebs für die Sportanlage Walter-Felsenstein-Straße. Demnach hat auf den Plätzen der Spielbetrieb zwischen 13 und 15 Uhr zu ruhen. „Das stellt uns vor erhebliche Probleme“, sagt Ralph Hartmann, der Präsident des FC Nordost.

Der Fußballverein aus dem Ostteil der Stadt hat dieses Problem nicht exklusiv. Die Zahl der Beeinträchtigungen für den Sportbetrieb ziehen sich quer durch die Stadt. Peter Hahn, Sportstättenbeauftragter des Landessport-Bundes (LSB), hält den Sportbetrieb in Berlin für „ganz vehement gestört“. Immer häufiger müssen Bezirksämter sich mit Beschwerden und Klagen genervter Anwohner auseinandersetzen. Derzeit gibt es „31 Problemfälle“ in Berlin, sagt Hahn. Nicht selten hätten solcherlei Beschwerden zu erheblichen Konflikten zwischen Anwohnern und Sportvereinen geführt. „Ziel muss es für den Sportverein sein, Konfliktsituationen rechtzeitig und nach Möglichkeit gemeinsam mit den Anwohnern zu regeln“, sagt Hahn. Allein was die rechtlichen Grundlagen betrifft, gibt es auf beiden Seiten große Informationslücken. Wer weiß schon, was in der „18. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes“ steht? Meist würden die Bezirksämter in Beschwerdefällen „im vorauseilenden Gehorsam“ Einschränkungen der Sportstättennutzung verfügen. Dieses Vorgehen „ist kontraproduktiv“, sagt Hahn.

„Leider werden oft die Anliegen Privater höher bewertet als die öffentlichen“, sagt Bernd Schultz. Der Präsident des Berliner Fußball-Verbandes (BFV) kennt eine Vielzahl ähnlicher Fälle. „Tendenz steigend“, sagt Schultz: „Ich halte diese Entwicklung für alarmierend.“

Vom Fall des FC Nordost erfuhr Schultz beiläufig. Es gab für die Betroffenen weder Erläuterungen noch Angaben zur Grundlage der künftigen Handhabe. Ein Schreiben von Schultz an den entsprechenden Sportstadtrat Stefan Komoß (SPD) ist seit Wochen unbeantwortet. Nun hat sich auch der LSB eingeschaltet. Mitte Juli soll es zu einem ersten Gespräch kommen.

In Kreuzberg gibt es seit geraumer Zeit Probleme mit der Sportanlage Körtestraße. Dort darf samstags nur noch bis 18 Uhr, sonntags nur bis 15 Uhr gespielt werden. Betroffen von dieser Einschränkung sind die Mannschaften des SC Berliner Amateure. „Das führt dazu, dass Vereine keine neuen Mitglieder aufnehmen können, weil sie kaum noch Spielmöglichkeiten bieten können“, sagt Schultz.

Die eingeschränkten Möglichkeiten der Sportanlagen haben aber auch Auswirkungen auf die Bedürfnisse der Betriebssportler und der Freizeitliga. „So wird es schwieriger, einen gerechten Ausgleich zwischen den unterschiedlichen Gruppen hinzubekommen“, sagt Schultz.

Die Beschwerden meist vereinzelter Anwohner gehen vorwiegend auf Lärm zurück. Manche beklagen gasbetriebene Fan-Fanfaren und Signalhörner, falsch parkende Autos rund um den Sportplatz oder aber lärmende Nichtvereinsmitglieder, die außerhalb der Nutzungszeiten über die Zäune gestiegen sind. Es gibt aber auch Klagen, die sich auf zum Teil private Feierlichkeiten in den Vereinslokalen beziehen. „Der Sport selbst verursacht nachweislich weniger Lärm als das ganze Drumherum“, sagt Hahn.

BFV-Präsident Schultz erzählt von einem Anruf eines Paares aus Köpenick, das eine Wohnung in unmittelbarer Nähe zu einer Sportanlage erworben hatte. Der Makler hätte dem Käufer versichert, dass die Anlage nicht mehr bespielt würde, was natürlich nicht stimmte. Das Paar verlangte vom BFV-Präsidenten, dafür zu sorgen, dass der Spielbetrieb unverzüglich eingestellt werde.

In Reinickendorf zum Beispiel darf auf der Sportanlage Heidenheimerstraße nur noch jeden zweiten Sonntag im Monat Fußball gespielt werden. Betroffen sind dort gleich zwei Vereine, der VfB Hermsdorf und der FCK Frohnau. Der Senat hält sich gegenwärtig noch raus, beim DFB beobachtet man diese Entwicklung mit Sorge, ähnliche Probleme gäbe es in Hamburg und Bremen.

Für den FC Nordost bringt die Mittagsruhe enorme organisatorische Belastungen mit sich. Sonntags stehen von 9 Uhr an hintereinander Punktspiele der unterschiedlichen Nachwuchsjahrgänge an. Nun aber müsse der Verein die Spiele der C-Jugend auf den Samstag vorverlegen, was bei den Eltern der 12- bis 14-Jährigen gar nicht gut ankomme. Zuletzt waren zwei vom Bezirksamt in Auftrag gegebene Lärmmessungen durch das Ordnungsamt durchgeführt worden. Die letzte am Pfingstwochenende. Nordost veranstaltete ein internationales Jugendturnier mit 32 Mannschaften der Acht- bis Zwölfjährigen. Noch heute wartet Präsident Hartmann auf die Daten, angeblich sollen sie sogar innerhalb der zulässigen Grenzwerte liegen. Sportstadtrat Komoß hat bis heute kein Wort mit ihm gesprochen.

Zuletzt sei es auf der Sportanlage Walter-Felsenstein-Straße am 3. Juni etwas lauter geworden. Erst hatte es die A-Jugend geschafft, die Landesliga nach oben zu verlassen. Anschließend besiegelte die 1. Männermannschaft den Aufstieg in die Verbandsliga. Vorausgegangen war dem ein 10:1-Sieg über den BSV Hürriyet. Die 250 Zuschauer bejubelten jeden Treffer. Anschließend schrieb Hartmann einen Brief an alle Anwohner. Er entschuldigte sich für den erfolgreichen Tag und lud alle Interessierten auf die Sportanlage zu einem Gedankenaustausch.

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