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Vancouver 2010 - Biathlon

© dpa

Magdalena Neuner: Kein Drang nach oben

Magdalena Neuner lässt ihre erfahrenen Kolleginnen weit hinter sich, doch die Führungsrolle in der deutschen Biathlonmannschaft lehnt sie ab.

Den Ritterschlag von höchster Stelle erhielt Magdalena Neuner noch ehe sie ihre erste olympische Goldmedaille ausgehändigt bekam. Ganz hibbelig vor Vorfreude wartete sie auf das Signal für den Sprung aufs Treppchen, als Uwe Müssiggang, der Bundestrainer mit der grenzenlosen Bierruhe, seine Gedanken zum Zustand seines Teams zu Ende führte. Und weil sie alle zusammen mittendrin waren in den Biathlon-Wettbewerben von Whistler, musste natürlich auch über die nahe Zukunft gesprochen werden: über das Einzelrennen über 15 Kilometer heute (19.20 Uhr, live im ZDF) in Whistler.

Der Klassiker im Biathlonsport ist jene Disziplin, in der Nachlässigkeiten am Schießstand besonders scharf geahndet werden. Keine Strafrunde, sondern eine Strafminute kostet die Athleten jeder Fehlschuss – für unsichere Teilnehmer stets eine spezielle Nervenprobe. Magdalena Neuner zählte meist zu diesen Wackelkandidatinnen, und wenn es in der Vergangenheit darum ging, aus seiner starken Mannschaft eine Frau für das Einzel zu streichen, senkte sich Müssiggangs Daumen oft über dem Kopf der jungen Oberbayerin. So auch vor einem Jahr bei der WM in Südkorea.

Doch jetzt ist alles anders. Jetzt ist Magdalena Neuner mit einer goldenen und einer silbernen Medaille aus zwei Rennen die einzige, auf die Müssiggang sich uneingeschränkt verlassen kann. Also verkündete der 58-Jährige: „Magdalena wird auf jeden Fall starten. Es sei denn, dass sie von sich aus sagt, dass ihr ein wenig die Kraft fehlt.“

Start in  Langlauf-Staffel weiter denkbar

Aber natürlich will Neuner immer weitermachen bei dieser für sie so traumhaften Olympia-Premiere – heute im Einzel, am Sonntag beim Massenstart, am Dienstag in der Staffel. Und danach am besten auch gleich noch bei einem Seitensprung ins Quartett der Spezialistinnen, wie es Langlauf-Bundestrainer Jochen Behle längst beantragt hat. Im Idealfall könnte Neuner am Ende mit sechs Medaillen nach Wallgau zurückkehren – in ihr geliebtes Heimatdorf, in dem 400 der insgesamt 1400 Einwohner nach Neuners Verfolgungs-Sieg eine wilde Party feierten.

Aber nicht allen ist in diesen Tagen nach Feiern zumute. Neuners Teamkolleginnen Simone Hauswald, Andrea Henkel und Kati Wilhelm konnten sich nach ihrem trüben Sprint-Ergebnis im Verfolgungsrennen zwar allesamt um zehn Plätze und mehr verbessern, Henkels zehnter Rang blieb hinter der Siegerin allerdings die beste Platzierung einer deutschen Biathletin. Eine umwerfende Bilanz ist das nicht – Neuners Team-Kolleginnen, die sich alle zumindest eine Olympia-Medaille als Ziel gesetzt haben, bleibt zunächst einmal nur die Bewunderung für die rasante Ausreißerin übrig.

Die dreimalige Olympiasiegerin Kati Wilhelm sagte anerkennend: „Lena wusste genau, was sie wollte. Sie hat ein brutales Selbstvertrauen.Für uns Erfahrene ist das schon sehr erstaunlich.“ Die 23-jährige Neuner macht Wilhelm (33), Henkel (32) und Hauswald (30) in Whistler derzeit vor, wie man Medaillen gewinnt. Wie stabil die Olympia-Form von Martina Beck (30) ist, der Vierten im Bunde der Älteren und bislang noch nicht am Start, wird sich heute zeigen.

Neuner möchte keine Führungskraft sein

Magdalena Neuner, die bei der Skijägerei am liebsten nur auf sich selbst achtet, legt keinen gesteigerten Wert darauf, nun die neue Führungskraft zu sein. Unterstützung erfährt sie dabei von Uwe Müssiggang. Der Cheftrainer kennt die jüngste Frau in seinem Olympia-Sextett, zu dem noch die 23-jährige Tina Bachmann zählt, schließlich gut genug, um zu wissen, dass Neuners gepflegte Ich-mache-das-hier-nur-für-mich-Haltung die Essenz ihrer aktuellen Erfolge ist. „Von einer Wachablösung im Team würde ich nicht sprechen“, sagte der Trainer. Im Gegenteil. „Ich wäre froh, wenn auch die älteren Damen noch weitermachen würden.“ Aber natürlich sei es „gut, wenn junge Athleten reinkommen und zeigen, dass sie in der Sonne stehen können. Auch Tina Bachmann macht uns Spaß.“ Von den jungen Frauen, von denen er spricht, meint er aber eigentlich nur eine. Magdalena Neuner.

Zum Alpha-Tier eignet sich Magdalena Neuner nur in der Loipe, ansonsten gilt: „Ich habe nicht den Drang, in der Hierarchie oben zu stehen.“ Zudem, meint sie, müsse man die interne Stimmung im Auge behalten. „Wir wollen abends ja auch einmal zusammen sitzen und einen Wein trinken oder eine Schokolade essen“, sagt Neuner fröhlich. „Es ist bei uns dann nicht so, dass eine auf dem Sessel thront und alle anderen auf dem Boden sitzen müssen.“

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