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Sport: „Man hat das Gefühl, es wird nicht besser“

Bart Goor über Herthas Saisonziel, die Champions League und den ungewohnten Abstiegskampf

Herr Goor, haben Sie sich am Mittwoch das ChampionsLeague-Spiel Ihrer alten Mannschaft in München angeschaut?

Natürlich. Ich habe vier Jahre für Anderlecht gespielt. Da fiebert man schon mit.

Hatten Sie das Gefühl, etwas zu verpassen?

Champions League ist wunderbar. Ich habe das selbst mit dem RSC erlebt. In einer Saison haben wir Real Madrid geschlagen, den AS Rom und Manchester United. Da hat alles bei uns gestimmt. Eine schöne Zeit war das.

Glauben Sie, dass Sie noch mal gegen Real spielen werden?

Wieso nicht? Ich bin erst 30. Und Hertha hat alle Möglichkeiten. Das kommt noch. Auch wenn das vielleicht nicht der richtige Zeitpunkt ist, um darüber zu reden.

Hertha wollte in die Champions League.

Das ist leider kein sehr gutes Ziel gewesen.

Hätte man das nicht vorher wissen müssen?

Nein, das war schon richtig so. Man muss sich ein Ziel setzen – auch wenn uns das jetzt immer vor die Nase gehalten wird.

Woher kam im Sommer der Optimismus?

Wir haben in der vorigen Saison eine gute Mannschaft gehabt, sind am Ende in den Uefa-Cup gekommen. Wenn man dann noch zwei, drei starke Spieler holt, ist es normal, dass man in die Champions League will.

Wie ist die Meinungsfindung abgelaufen? Haben Sie in der Kabine gesessen und demokratisch abgestimmt?

Nein, wir haben alle einen Zettel bekommen, und darauf sollten wir unser Ziel notieren.

Das Resultat…

…war deutlich. Aber das hat mich nicht überrascht. Wenn man danach gefragt wird, will jeder in die Champions League.

Ein Ziel zu haben ist aber etwas anderes, als darüber zu reden.

Das ist in Deutschland so. In Anderlecht hat man keine Ziele. Wenn der RSC nicht Meister wird, war es ein schlechtes Jahr.

Einen richtigen Abstiegskampf haben Sie dann wohl noch nicht erlebt.

Ich habe auch mit Anderlecht schon mal unten gestanden. Da haben wir aus den ersten fünf Spielen zwei oder drei Punkte geholt. Aber wir haben unsere Krise schnell überwunden und waren am Ende mit drei Punkten Rückstand Zweiter. Warum es hier so lange dauert, weiß ich auch nicht.

Wie fühlt sich Abstiegskampf an?

Das macht nicht viel Spaß. Du wirst von allen Seiten angegriffen. Der Druck ist immens. Du kämpfst und kämpfst, aber du hast das Gefühl, dass es nicht besser wird. Das war wirklich nicht normal. Wir haben auch nicht gut Fußball gespielt. In welchen Spielen hätten wir einen Sieg verdient gehabt? In einem einzigen vielleicht. Gegen Bochum.

Wie viel ist rational nicht zu erklären?

Bestimmt 20 oder 30 Prozent. Wie sagt man hier: Erst hast du kein Glück, und dann kommt noch Pech hinzu. Das ist wirklich komisch. Gegen Hamburg führst du 1:0 und kassierst in letzter Minute das 1:1. So etwas passiert nur, wenn es dir ohnehin schlecht geht. Das ist was anderes als in Kaiserslautern …

… wo Hertha zur Pause sogar 2:0 geführt hat.

Dass wir da verloren haben, hat nur mit uns zu tun. Die Fehler haben wir gemacht. Gegen Hamburg haben wir keinen Fehler gemacht.

Dieter Hoeneß hat gesagt, wenn die Mannschaft die Spiele gewonnen hätte, in denen sie zur Pause geführt hat, hätte es keinen Trainerwechsel geben müssen.

Moment, das ist etwas anderes. Gegen Kaiserslautern und Schalke haben wir die Spiele selbst aus den Händen gegeben. Da haben wir keinen Sieg verdient gehabt.

Wieso kann die Mannschaft nicht gegensteuern, wenn es anfängt, schief zu laufen?

Das ist nicht so einfach. Jeder ist mit sich selbst beschäftigt. Du kannst nicht auch noch bei den anderen gucken, was falsch läuft.

Gibt es bei Hertha jemanden, der das macht?

Ich glaube nicht, dass das einer kann. Dick van Burik vielleicht. Der hat das ganze Feld vor sich. Aber im Mittelfeld oder im Sturm ist es schwer, das Geschehen zu überblicken.

Also fehlen Hertha die Führungsspieler?

Wenn solche Typen wie Michael Preetz oder Jolly Sverrisson aufhören, ist es nicht einfach, diesen Verlust aufzufangen. In der belgischen Nationalmannschaft haben wir nach dem Weggang von Marc Wilmots und Gert Verheyen Ähnliches erlebt. Aber dann kommen neue Spieler, und nach einiger Zeit passt es wieder. Nur dauert das eben etwas. Man kann nicht einfach sagen: So, du bist jetzt Führungsspieler! Arne Friedrich hat das in sich. Aber er braucht noch Zeit.

Ist die Krise jetzt zu Ende?

Durch das 1:1 in Dortmund haben wir zumindest etwas Luft bekommen.

In der Tabelle nicht.

Aber wir haben wieder Fußball gespielt. Die Organisation hat gestimmt. Das war wichtig.

In Dortmund hat man nicht viel erwartet, in den beiden nächsten Spielen, gegen 1860 und Köln, wird das anders sein. Da müssen Sie gewinnen. Kommt die Mannschaft damit klar?

Wieso nicht? 1860 und Köln sind mir lieber als Bayern und Bremen. Da ist die Chance, dass wir gewinnen, größer.

Das Gespräch führten Sven Goldmann und Stefan Hermanns.

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