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Sport: Man spielt deutsch

Trainer Rehhagel lehrt die Griechen Tugenden Rehhagel wird sogar geraten, er solle nun Präsident werden.

Im Moment der Maßlosigkeit erlaubte sich Otto Rehhagel die größte Maßlosigkeit. Während seine Spieler längst stehen geblieben waren, schritt der Trainer aus Deutschland allein vor die griechischen Fans, riss seine Arme in die Luft und klatschte in die Hände. „Das ist – ohne Übertreibung – der größte Erfolg einer griechischen Mannschaft“, sagte Otto Rehhagel nach dem 2:1 seiner Fußballer über Portugal. Zum ersten Mal hatte Griechenlands Nationalmannschaft bei einem großen Turnier ein Spiel gewonnen – und dann zur Eröffung der Europameisterschaft gleich gegen den Gastgeber.

Otto Rehhagel liebt diese Augenblicke voller Pathos. Als er später vor den Journalisten saß und zu ihnen sprach, schloss er die Augen. Das macht er oft. In diesem Moment aber ließ ihn dieser Anblick noch seliger als sonst erscheinen. „Ich hoffe, dass alle Griechen die Fahnen aus dem Fenster hängen und sich freuen über diesen grandiosen Sieg“, sagte der 65 Jahre alte Trainer.

Der grandiose Sieg war vor allem ein Sieg des Otto Rehhagel und seines Verständnisses von Fußball. In Deutschland ist er trotz seiner Erfolge oft belächelt worden, weil er aus dem einfachen Spiel Fußball nie eine Wissenschaft hat machen wollen. Rehhagel hat den Fußball gewissermaßen vom Kopf wieder auf die Füße gestellt.

Der Erfolg der Griechen über Portugal war auch ein Sieg des deutschen Fußballs. „Griechenland hat gut organisiert gespielt“, sagte Luiz Felipe Scolari, der Trainer der Portugiesen. Solche Sätze sind auch schon oft genug über die deutsche Nationalmannschaft gesagt worden. Und in der Tat hat Rehhagel den Griechen das vermittelt, was gemeinhin als deutsche Tugenden benannt und gefürchtet wird. Er hat aus den Südeuropäern kleine Deutsche gemacht. Vermutlich ist das seine größte Leistung.

Es ist ja nicht so, dass die Griechen nicht Fußball spielen könnten. Auch an internationaler Erfahrung mangelt es ihnen nicht. Die meisten Nationalspieler treten mit ihren Klubs regelmäßig in der Champions League auf. Nur mit der Nationalmannschaft hat es nie funktioniert. Die Vereine sind in Griechenland zu stark, die Identifikation der Fans mit den einzelnen Klubs ist zu groß. Rehhagel hat den Vorteil, dass er als Deutscher nicht in dieses Geflecht aus Feindschaften verstrickt ist. Rehhagel interessiert sich für die Fähigkeiten der Spieler, nicht aber, ob jemand bei AEK spielt, bei Panathinaikos oder Olympiakos.

„Aus den großen Individualisten hat sich mit der Zeit ein Team entwickelt, in dem jeder für den anderen läuft“, sagte Rehhagel. „Die ganze Woche über haben wir uns eine Strategie zurechtgelegt, und die ist zu hundert Prozent aufgegangen.“ Begünstigt wurde das Unternehmen durch die frühe Führung bereits in der siebten Minute. „Danach hat sich Griechenland noch mehr zurückgezogen“, sagte Scolari. Die Statistik wies naeinen Ballbesitz von 63 Prozent zugunsten Portugals aus. Chancen aber sprangen für den Favoriten erst in der Nachspielzeit heraus, als auch der Anschlusstreffer durch Cristiano Ronaldo fiel.

Otto Rehhagel ist längst ein Liebling des griechischen Volkes geworden. „Mit der Zeit haben die Menschen zu ihrem Trainer ein schönes Verhältnis aufgebaut“, sagte Rehhagel. Nach dem Sieg über Portugal schlug ein Journalist vor, der Trainer solle bei der Präsidentenwahl antreten. Rehhagel ging darauf nicht ein. Er ist auch mit kleinen Dingen zufrieden: „Ich freue mich, wenn ich durch Athen fahre und die Menschen winken mir zu“, sagte Rehhagel. „Und ich darf auch schon mal über die Busspur fahren.“

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