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Sport: Manchmal rattert die Nähmaschine

In unserer Serie widmen wir uns Körperstellen, die für Athleten in ihrer Sportart besondere Bedeutung haben. Heute: der Puls beim Biathlon.

In unserer Serie widmen wir uns Körperstellen, die für Athleten in ihrer Sportart besondere Bedeutung haben. Heute: der Puls beim Biathlon.

Eine Windböe kann alle automatisierten Abläufe durcheinander bringen. Der Biathlet steht oder liegt nach dem Laufen am Schießstand – und ist zum Warten verurteilt. Statt sofort damit zu beginnen, die Scheiben abzuräumen, harrt er aus und weiß genau, dass der Puls rasch fällt, vielleicht zu rasch. „Wenn er auf 90 bis 100 Schläge pro Minute sinkt, spürt der Sportler einen harten Pulsschlag“, sagt Bernd Wolfarth, der Arzt der deutschen BiathlonNationalmannschaft. Dies kann sich auf die Waffe übertragen, die der Sportler nicht mehr ruhig halten kann. In diesem Fall muss er entweder warten, bis der Puls noch weiter sinkt und das Pochen aufhört. Dabei aber gehen wertvolle Sekunden verloren. Oder er ist so geübt, dass er auch mit ungünstigem Puls trifft.

Ein Biathlet wie etwa Sven Fischer zeichnet sich auch dadurch aus, dass er nach der hohen körperlichen Belastung in der Loipe am Schießstand schnell zur Ruhe kommt. Auf der Strecke liegt der Puls bei 170 bis 180 Schlägen pro Minute. Bis die Athleten am Schießstand ihre Waffe abgenommen und die richtige Position eingenommen haben, sinkt der Puls auf 120 bis 150 Schläge. Dann kommt es auch auf die Atemtechnik an. Fünf Schüsse gibt der Sportler ab, beim Nachladen holt er ein- bis zweimal Luft, ehe er die Luft anhält und schießt. Manchmal muss er auch tief ausatmen, etwa wenn er hinter Norwegens Star Ole Einar Björndalen „hergerannt ist und ausgepumpt am Schießstand steht“, sagt Wolfarth.

Die Abläufe sind durch Tausende von Trainingsschüssen im Jahr mit und ohne Belastung automatisiert. Die Biathleten lernen auf den unterschiedlichsten Trainingsstrecken, die Belastung beim Laufen so zu steuern, dass sie beim Schießen im optimalen Belastungsbereich sind. Geht es kurz vor dem Schießstand bergab, „muss der Sportler noch mal arbeiten, damit der Puls nicht zu sehr sinkt“, sagt Wolfarth. Liegt vor dem Schießstand aber eine Anhöhe, „muss er die Belastung reduzieren, damit er nicht mit einem Puls von 180 zum Schießen antritt“. Doch manchmal hilft auch das beste Körpergefühl nichts. Dann nämlich, wenn beim Schießen die Beine plötzlich zu zittern beginnen. Gegen die so genannte „Nähmaschine“ sind auch die Spitzenläufer machtlos, selbst die Wissenschaft hat keine sichere Erklärung für dieses Phänomen. Der Herzschlag kann eine Rolle spielen, aber auch „Stress und Versagensangst“, sagt Wolfarth. 100 Wettkämpfe könne man ohne Probleme absolvieren, ehe beim 101. die „Nähmaschine“ auftritt – und keiner weiß warum. ru

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