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Tennis

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Manipulationsvorwürfe: Wettbetrug im Tennis?

Immer wieder gibt es Manipulationshinweise im Tennis – nun steht der Russe Dawidenko unter Verdacht, Spiele manipuliert zu haben.

Zunächst erregte die Szene keinen Verdacht. Beim Tennisturnier im polnischen Sopot standen sich in der Vorwoche der Weltranglistenvierte Nikolaj Dawidenko und der Argentinier Martin Vassallo Arguello gegenüber. Beide gewannen jeweils einen Satz, als Dawidenko beim Stand von 2:1 plötzlich mit Schmerzen im Fuß aufgab. Eine unglückliche Situation für den Russen, so der erste Eindruck. Verletzungspech, wie es Leistungssportler schnell ereilen kann. Doch das Match sollte noch ein Nachspiel haben.

Nur wenig später meldete der britische Wettanbieter „Betfair“, dass bei ihm ungewöhnlich hohe Wetten für diese Partie eingegangen seien. Rund sieben Millionen Dollar, das Zehnfache der üblichen Beträge, sollen auf den Argentinier gesetzt worden sein und das in der Phase, nachdem die Nummer 87 des Rankings den ersten Satz verloren hatte. „Betfair“ erklärte die Wetten für nichtig und verständigte die Spielerorganisation ATP.

Mit dem aktuellen Fall rückt eine Sportart in den Fokus, die in der Öffentlichkeit bisher nur selten mit dem heiklen Thema der Wettmanipulation in Verbindung gebracht wurde. Doch auch im Tennis ist diese Methode offenbar seit Jahren Praxis. Hier ist der Betrug im Gegensatz zu anderen Sportarten sogar relativ leicht durchzuführen, weil sie von Einzelpersonen ausgeführt sind. Die Drahtzieher gehen deswegen dreist und ungeniert offensiv vor. Spieler berichten davon, dass sie auf dem Trainingsplatz direkt auf verschobene Spiele angesprochen wurden. Man habe einen Umschlag mit mehreren tausend Euro für sie dabei, wenn sie ihre Partie absichtlich verlieren würden. Manche Spieler erhalten vor ihrem Match Anrufe, sogar wenn sie bei kleinen Challenger-Turnieren antreten, wo die Gewinnsummen weit niedriger sind als die Beträge, die ihnen angeboten werden.

Der frühere Weltklasse-Spieler Jewgeni Kafelnikow geriet mehrfach mit der gleichen Masche unter Verdacht: Bei relativ kleinen Turnieren scheiterte er durch Verletzungen gegen eher unbekannte Gegner in der ersten Runde, auf die ungewöhnlich hohe Einsätze platziert waren. Kafelnikow strich in jedem Fall das Antrittsgeld ein. Bewiesen werden konnte ihm nie etwas. Doch es entlastete ihn nicht gerade, dass der ehemalige French-Open-Sieger kurz nach dem letzten Vorfall seine Karriere beendete und sich aufs professionelle Pokern verlegte.

Nachweisen konnte man den Beschuldigten bislang nie etwas. Auch Dawidenko streitet die Vorwürfe vehement ab. ATP-Chef Etienne de Villiers will nun eine unabhängige Untersuchungs-Kommission einberufen und „alle notwendigen Mittel ergreifen, um eine gründliche und schnelle Klärung zu erreichen“. In Spielerkreisen werden diese Ankündigungen jedoch mit einem müden Lächeln quittiert, sie haben resigniert. Die ATP sei ohnehin machtlos, sagen sie. Tatsächlich steht der Verband vor einer fast unlösbaren Aufgabe. Doch öffentlich dazu äußern möchte sich niemand, nicht einmal ehemalige Profis. Es sei ein offenes Geheimnis, dass Dawidenko in Wettmanipulationen verstrickt sei. Jeder Spieler wisse es – und der Russe soll nicht der Einzige sein.

Bei manch redlichem Spieler schwingt wohl ein wenig Angst mit, sich bei einer öffentlichen Stellungnahme den Ärger der Kollegen zuzuziehen. Vielleicht lähmt aber auch das Gefühl der Ohnmacht, den Beschuldigten ohnehin nichts beweisen zu können. Derart leichtsinnig, eine Person aus seinem direkten Umfeld für ihn wetten zu lassen, ist eben selbst der dümmste Betrüger nicht.

Doch unter der Hand kursieren weitere Namen; einige Argentinier sind darunter, Tschechen und weitere Russen. Und, besonders pikant für den Deutschen Tennis-Bund (DTB), auch deutsche Profis. Einige von ihnen gehören zwar zu den eher mittelmäßig erfolgreichen Spielern, die finanziell noch nicht gefestigt sind. Doch sollten diese Namen öffentlich werden, wäre das durch mangelnden sportlichen Erfolg ohnehin angekratzte Image für den DTB noch stärker in Mitleidenschaft gezogen. Mitunter werden Athleten von Trainern angestiftet, die sich selbst vom schnellen Geld verlocken lassen. Niemanden überraschte es, als der Argentinier Carlos Berlocq im letzten Jahr in Wimbledon der Wettmanipulation verdächtig wurde, denn sein Name steht schon länger auf der Schwarzen Liste der ATP.

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