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Sport: Maradona feiert Federer

Der Schweizer zeigt beim World-Tour-Finale gegen Murray fast perfektes Tennis

Den schwierigsten Part hatte der Dolmetscher. Der Mann kam mit dem Übersetzen gar nicht mehr hinterher, als die spanischen Vokabeln aus Diego Maradona nur so heraussprudelten. Der einst beste Fußballspieler der Welt freute sich so sehr, Roger Federer persönlich zu treffen, dass er ohne Luft zu holen auf den Schweizer einredete. „Er freute sich fast mehr, mich zu treffen als ich ihn, dabei ist doch er die Legende“, sagte Federer erstaunt. Bereits am Sonntag hatte Maradona in London beim World-Tour-Finale zugeschaut und als Federer davon hörte, wollte der glühende Fußballfan unbedingt ein Treffen mit dem Argentinier arrangieren. Es artete in eine einzige Lobhudelei aus. „Maradona sagte mir, er sei ein riesiger Fan meines Spiels und lobte mich in den Himmel – es hörte fast nicht mehr auf“, erzählte Federer.

Zuvor hatten Maradona und 17 500 weitere Zuschauer bei Federers 6:4, 6:2 über Andy Murray annähernd perfektes Tennis gesehen. „Es war schockierend, wie gut es lief“, sagte der Schweizer. Noch bei den Masters-Finals von Toronto und Schanghai hatte er gegen die große Hoffnung der Briten Niederlagen einstecken müssen. „Manchmal ist es schwer, ein perfektes Match zu spielen, wenn so viel Rummel drumherum herrscht“, sagte Federer. „Daran bin ich auch schon gescheitert. Vielleicht war das Andys Problem.“

Von Sorgen dieser Art scheint Federer derzeit weit entfernt. Zum neunten Mal qualifizierte sich der Weltranglistenzweite für den Saisonhöhepunkt, bei dem die acht besten Spieler den allerbesten unter sich ausmachen. Viermal ging Federer dabei als Champion hervor, auch in diesem Jahr stehen die Vorzeichen gut. Erst zum zweiten Mal startete Federer mit zwei Siegen und 4:0 Sätzen, doch bei aller Begeisterung über seinen glänzenden Auftritt bleibt zu bedenken: Das Halbfinale ist Federer noch nicht sicher.

Und so weckt die Konstellation der Gruppe B wieder Erinnerungen an das letzte Jahr, als die Halbfinalisten erst nach einem Exempel höherer Mathematik feststanden. „Da kann man wirklich verrückt werden“, sagte Federer, „und beim letzten Mal war das die extremste Situation, in der ich je gewesen bin.“ Damals wusste er nicht einmal nach seinem dritten Gruppenmatch gegen Martin del Potro, ob er qualifiziert war. Erst Stunden später klärte sich, dass der Quotient aus gewonnenen und verlorenen Spielen entscheiden würde – damit war Federer weiter und Murray um ein einziges Spiel gescheitert.

Dieses Mal weiß Federer zumindest sicher, dass er am Donnerstag gegen Robin Söderling einen Satz gewinnen muss, um ins Halbfinale zu kommen. „Ich bin sehr froh, dass ich diese extreme Erfahrung schon gemacht habe“, sagte Federer, „das wird mir helfen. Und ich habe das Gefühl: Ich kann noch einen Gang zulegen.“ Es wäre ein versöhnlicher Saisonabschluss in London. Dort, wo Federer im wenige Kilometer entfernten All England Club von Wimbledon noch so bitter im Viertelfinale gescheitert war und die ersten Abgesänge auf seine einmalige Karriere erklangen. Ein wenig voreilig, wie Diego Maradona und der Rest der Welt heute wissen.

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