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© ddp

Marathon: Duell wider Willen

Auf Weltrekordhalter Haile Gebrselassie ist diesmal ein Verfolger angesetzt: der Kenianer Duncan Kibet.

Berlin - Im Ruhezustand sind die Rollen kurz vertauscht, die des großen Champions und die des Herausforderers. Denn als der bislang wenig bekannte Duncan Kibet auf die Bühne gebeten wird, um neben dem sehr berühmten Haile Gebrselassie fürs Foto zu posieren, zieht Kibet den einen Kopf kleineren Gebrselassie an sich, als sei der sein jüngerer Bruder, auf den er immer gut aufpassen muss. Gerade am Sonntag. Auf 42,195 Kilometern durch die Großstadt kann schließlich eine Menge passieren.

Als jedoch etwas Bewegung in die Szene kommt und sich beide aus ihrer öffentlichen Umarmung lösen, widmet sich Kibet gleich wieder seiner eigentlichen Aufgabe. „Ich werde Haile am Sonntag erst einmal folgen“, sagt der Kenianer. Nachlaufen will er ihm, denn Gebrselassie kennt den Weg in Berlin, drei Mal hat der Äthiopier schon den Marathon in der Stadt gewonnen, Kibet ist zum ersten Mal hier.

In den vergangenen Jahren war der Marathon in Berlin zugeschnitten auf Gebrselassie, den besten Langstreckenläufer dieses Jahrzehnts. Er sollte es angenehm haben, damit er so schnell wie möglich ins Ziel kommt, und zwei Mal hat er zuletzt auch den Weltrekord aufgestellt. „Berlin ist mein Marathon“, sagt er am Freitag zur Begrüßung, doch diese Besitzverhältnisse sind in diesem Jahr ernsthaft gefährdet. Dafür soll Duncan Kibet sorgen, die Veranstalter von der SCC Running GmbH haben ihn eingeladen, damit es eben kein einsames Rennen mehr wird wie in den vergangenen Jahren, sondern ein offenes. Immer nur Weltrekord, das wird auf die Dauer auch langweilig.

Nur scheint sich Gebrselassie um seinen neuen Konkurrenten noch keine großen Gedanken gemacht zu haben. Ein ums andere Mal wird er nach Kibet gefragt am Freitag, aber seine Antwort lautet: „Beim Marathon läufst du mehr gegen die Strecke als gegen die Gegner.“ Und der Niederländer Valentijn Trouw, Gebrselassies sportlicher Betreuer und Manager, sagt: „Er hat mich noch kein einziges Mal auf Kibet angesprochen.“

Noch glaubt der 36-jährige Äthiopier offenbar nicht daran, dass es tatsächlich zum Duell kommt, dass ihm sein neuer Rivale, dem er am Freitag bei einer Pressekonferenz zum ersten Mal überhaupt begegnet ist, am Sonntag bis zum Schluss folgen kann. Mark Milde, der Renndirektor, erzählt jedoch, Gebrselassie habe es nicht gerade gefreut, dass diesmal auf der Gästeliste nicht nur sein Name ganz oben steht, sondern auch noch der von Kibet. Bislang hat Gebrselassie schließlich noch keinen Marathon gewinnen können, bei dem einer der allerbesten Läufer im Feld war. Gebrselassie lief immer am besten gegen die Uhr.

Der 31 Jahre alte Kibet ist mit einer ausgezeichneten Empfehlung nach Berlin gekommen. Hinter Gebrselassies beiden Weltrekorden hat er die drittschnellste bisher gelaufene Zeit aufgestellt, in diesem Jahr in Rotterdam. Gebrselassies Bestzeit steht 2008 in Berlin bei 2:03:59 Stunden, Kibets seit diesem Jahr in Rotterdam bei 2:04:27 Stunden. „Ich bin noch besser in Form als vor dem Marathon in Rotterdam“, sagt er. Er habe intensivst trainiert, 200 bis 220 Kilometer in der Woche, und in den Einheiten vor allem lange Distanzen. Mitgebracht hat er also eine gute körperliche Verfassung und viel Selbstbewusstsein.

Für einen Langstreckenläufer aus Kenia würde man ihn nicht halten, eher für einen Hip-Hopper, weil er nicht verschlossen ist, sondern cool sein will und dafür auch gerne lustige Mützen trägt, einen zotteligen Bart oder, wie vor dem Wien-Marathon, im Fußballtrikot von Manchester United herumläuft. „Ich habe früher viel amerikanische Comedys im Fernsehen angeschaut. Ich wollte genauso sein wie in diesen Serien“, erzählt er. Einer seiner Brüder studiert inzwischen in den USA, ihn besucht er regelmäßig.

In Berlin kann er unbeschwert an den Start gehen. „Haile hat viel mehr zu verlieren, eine Niederlage würde ihn etwas von seinem Ruhm kosten“, sagt Kibets Manager, der Italiener Federico Rosa. Bis Kilometer 30 oder zwei Kilometer weiter sollen Gebrselassie und Kibet noch Begleitschutz von mehreren Tempomachern haben. Dann soll das Rennen erst richtig losgehen, Mann gegen Mann, und die Veranstalter können sich gut vorstellen, dass Gebrselassie nervös wird, wenn er den Läufer an seiner Seite einfach nicht loswird. Es wäre ein neues Gefühl für den Äthiopier auf der Strecke, die er am Ende bisher ganz für sich alleine hatte.

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