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Marcel Reif

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Marcel Reifs Kolumne: Hertha und seine Fans

Endlich, endlich einmal war das Engagement auf den Rängen im Einklang mit dem auf dem Spielfeld. Und dann das... Marcel Reif kommentiert Herthas verlorenes Abstiegsduell gegen Nürnberg.

Ja, so geht Fußball, wenn man unten drin steht, wenn man nichts mehr zu verlieren hat, außer dem Ruf, sich nicht zu wehren gegen den Abstieg. So sieht das aus, wie es die Hertha gestern gegen den Konkurrenten aus Nürnberg gezeigt hat, so schafft man mit Leidenschaft die Leiden endgültig ab, so wäre man erst gar nicht in die Bredouille gekommen. Chancen über Chancen erspielte sich die Hertha, von einer Güte, die man hundertprozentig nennt. Mit fast schon traumatischem Ergebnis, weil der Ball nicht ins Tor wollte, nicht bei der ersten Chance, nicht bei der zweiten, dritten, gefühlten neunten, bis schließlich Gekas die erlösende Lücke fand.

Ja, so geht Fußball. Kein Mensch kann vorhersagen, ob das noch irgendetwas nützt, ob nicht alles zu spät ist, aber das Einzige, was das scheinbar Unmögliche noch möglich machen kann, ist diese Leidenschaft. Was indes die Hoffnung aufrecht hält, ist, dass der Hertha auch in der zweiten Halbzeit kein Weg zu weit war. Und noch etwas ist bemerkenswert, sehr bemerkenswert: Man durfte ja nach dem Verlauf dieser Saison durchaus analysieren, dass die Hertha an ihrer Berliner Großmannssucht erstickt ist, und der Klub erdrückt wurde von den Emotionen der Fans, die in Nürnberg gar nicht wissen, wohin mit all ihrer Liebe. Und dass diese Liebe in Berlin nur zu haben ist, wenn der Erfolg da ist, und sonst eben nicht. Aber das stimmt so nicht mehr, seit Wochen stimmt das so nicht mehr. Berlin steht hinter seiner Hertha, die 57.761 Fans die gestern im Olympiastadion den Abstieg wegbrüllen wollten, lügen nicht.

Und endlich, endlich einmal war das Engagement auf den Rängen im Einklang mit dem auf dem Spielfeld. Weil Hertha endlich einmal sein Schicksal in die eigene Verantwortung nahm. Ja, so muss man agieren, wenn man den Abstieg verhindern will. Das war mit Abstand die beste Saisonleistung der Hertha. Sie war eine Eloge wert. Auch Trainer Funkel machte keine Fehler, als er gegen Ende noch den nächsten Stürmer brachte, Artur Wichniarek. Aber da stand es schon 1:1, weil der Club seine zweite Chance genutzt hatte. Weil der Fußball, selbst wenn er gespielt wird, wie er gespielt werden muss, so brutal sein kann und so gnadenlos. Hertha BSC hat die Gnade verspielt, nicht gestern, gestern hat sie um sie gekämpft. Aber die Gnade hat sich verweigert, sie mag sich wohl nicht mehr an die Hertha verschwenden. Sie gewährte dem Club das Siegtor. Hertha ist, es ist wohl nicht zu ändern, abgestiegen.

Ob diese junge Liebe Berlins auch hält in der Zweiten Liga? Wohl kaum, wie die Schlussbilder voller Idioten im Stadion zeigten.

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