Marcel Reifs Kolumne: Live aus dem Stadion

Es ist fast so sicher wie der Weihnachtstermin, fallen die Blätter und naht der Frost, bricht beim FC Bayern München die Krise aus. Nun ist vom Frost noch nichts zu spüren und ist die allherbstliche Krise der Münchner auch nicht viel mehr als ein Räuspern, das sich schnell wieder legt, wie auch eindrucksvoll gegen Werder Bremen, aber die Aufregung ist immer wieder epochal. Dabei, liebe Leute, es mag der Kader noch so gut sein, von mir aus auch galaktisch, aber er besteht immer noch aus Fußballspielern, und die sind aus Fleisch und Blut, sind sogar auch Menschen, die nicht permanent in Höchstform durchs Leben marschieren. Und wenn dann noch die richtigen ausfallen, beziehungsweise aus Sicht der Bayern, die falschen – ja, wovon reden wir dann? Von einer anderen Mannschaft. Wenn beim übergalaktischen FC Barcelona mal Xavi und Iniesta unpässlich sind, dann steht auch eine andere Mannschaft auf dem Platz, eine nur noch galaktische.

Wir hatten vor einiger Zeit, es ist noch nicht so lange her, eine Führungsspielerdebatte. Ein paar verdiente Meister des Sports, Altvordere, meldeten sich zu Wort, Oliver Kahn zum Beispiel, und sprachen dem ehemaligen Kollegen Bastian Schweinsteiger solche Führungsqualitäten ab. Die jungen Aktiven konterten seinerzeit leicht irritiert, auch ein wenig belustigt, wie wenn Opa vom Krieg erzählt, aber auch etwas vorschnell, dass es im heutigen Fußball solcher Alphatiere nicht mehr bedarf. Sie mögen dabei an die gedacht haben, die die Rudel anführten, als sie selber noch Kinder waren, an Lothar Matthäus etwa, an Stefan Effenberg. Und wenn sie damit meinten, dass es deren lautstarkem Geheule nicht mehr bedarf, so sei ihnen Recht zu geben. Aber das es Spielertypen gibt, die unverzichtbar sind, weil sie das Spiel denken und lenken, das belegt Schweinsteigers Ausfall vortrefflich. Plötzlich nämlich verliert auch diese Mannschaft, selbst diese Mannschaft, ihre Statik. Gute Mannschaften sind ein funktionierendes Gebilde, und wenn deren Metronom, also ihr Taktgeber ausfällt, gerät sie eben aus dem Takt und muss einen neuen finden. Jupp Heynckes – er würde das wohl nie so öffentlich sagen – wird das Gefühl gehabt haben, noch nie eine so gute Mannschaft geführt zu haben. Nur ist die aktuelle Mannschaft nicht mehr die Mannschaft, bei der ihm dieses Gefühl überkam. In der aktuellen fehlt ein Weltklassespieler. Und würde das nicht zu Buche schlagen, wäre er keiner. Schweinsteiger aber ist einer, Womit auch klar ist, auch wenn die Bayern mal vorübergehend schwächeln, wir haben wieder Weltklassespieler. Das also ist die Quintessenz der Bayern-Krise: ein 4:1 gegen Werder Bremen, es fällt kein Blatt mehr.