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Jetzt kommt’s knöcheldick. Marco Reus muss wegen einer Verletzung vier Wochen Pause einlegen – sein Einsatz in den nächsten EM-Qualifikationsspielen ist bedroht.

© dpa

Marco Reus: Der Pechvogel der deutschen Nationalmannschaft

Marco Reus verletzt sich beim Sieg über Schottland am selben Knöchel wie vor der WM. Thomas Müller: "Das ist schon Wahnsinn, wie viel Pech er hat."

Als der offizielle Teil der Veranstaltung vorüber war, entledigte sich Gordon Strachan umgehend seines Sakkos. Das EM-Qualifikationsspiel der schottischen Fußball-Nationalmannschaft war gerade erst abgepfiffen worden, da löste deren Trainer bereits die Kleiderordnung auf. Unterm Stadiondach tobte der schottische Anhang vor Wut, die schottischen Spieler bestürmten den Schiedsrichter, weil er die Ausführung eines finalen Eckballs mit seinem Schlusspfiff verhindert hatte, und für einen Moment hatte es den Anschein, als könnte Strachan sich jetzt die Ärmel seines weißen Hemdes hochkrempeln, um sich ebenfalls in den In-Fight zu begeben. Er stand bereits auf dem Feld – und streckte schließlich Bundestrainer Joachim Löw die Hand zur Gratulation entgegen.

In Spielen zwischen der deutschen und der schottischen Nationalmannschaft geht es traditionell hart zur Sache. Das war auch am Sonntagabend in Dortmund so, wie auch Marco Reus zu spüren bekam, als sich beide Teams zum Start der EM-Qualifikation einen intensiven Kampf lieferten und den Zuschauern einen insgesamt recht unterhaltsamen Abend bescherten. Mit letzter Kraft rettete der Weltmeister den knappen 2:1-Sieg über die Zeit. „Wie wir’s gemacht haben, ist im Prinzip egal“, sagte Torhüter Manuel Neuer, der den verletzten Bastian Schweinsteiger erneut als Kapitän vertreten hatte. „Wir haben unsere Pflicht erfüllt, das ist wichtig.“ Gänzlich unbeschadet aber überstanden die Deutschen das Spiel nicht.

Diagnose: Marco Reus erlitt einen Außenbandteilriss und eine Dehnung der Fußwurzelbänder

Eine gute Stunde nach dem Abpfiff trat eine dunkle Gestalt aus dem Kabinengang. Marco Reus stützte sich auf den Griff seines Rollkoffers. Er trug Shorts, so dass der Verband an seinem linken Knöchel direkt zu sehen war. Alles andere nicht. Über die Baseballkappe hatte Reus die Kapuze seiner Jacke gezogen, er drehte sich zur Wand, damit ihm niemand ins Gesicht schauen konnte; und er hielt sich sein Telefon ans Ohr, damit niemand auf die Idee kommen konnte, ihn anzusprechen. Ein Wagen der Fahrbereitschaft hielt direkt vor ihm, Reus stieg ein und verließ das Dortmunder Stadion. Am Montag folgte dann die Gewissheit: Er hatte sich einen Außenbandteilriss und eine Dehnung der Fußwurzelbänder zugezogen. Man geht von einer vierwöchigen Pause aus – bei den nächsten Spielen in Polen und gegen Irland Mitte Oktober droht er auszufallen.

„Das ist schon Wahnsinn, wie viel Pech er hat“, sagte Thomas Müller, der beide Tore für das deutsche Team erzielt hatte. Schon vor der Weltmeisterschaft hatte es Marco Reus erwischt. Im letzten Testspiel, einen Tag vor dem Abflug nach Brasilien, riss ihm bei der Attacke eines armenischen Gegenspielers das Syndesmoseband am linken Knöchel. Am Sonntag im heimischen Stadion traf es den Dortmunder erneut – wieder am linken Fuß. Es lief bereits die Nachspielzeit, als Reus im Mittelfeld den Ball behaupten wollte. Er stellte Charlie Mulgrew seinen Oberkörper entgegen, drehte sich, bekam einen Tritt des Schotten gegen seine Wade und knickte mit dem Fuß um.

Die Nach-WM-Saison hat kaum begonnen, da wird die Nationalmannschaft bereits von einer Verletzungsplage fast biblischen Ausmaßes heimgesucht, und es sind nicht die unwichtigsten Spieler, die derzeit betroffen sind. Bastian Schweinsteiger, Mats Hummels, Sami Khedira und Mesut Özil – sie alle zählen zu den Stützen des Teams. Marco Reus ist nicht minder wichtig für die Nationalmannschaft, auch wenn sie ohne ihn in Brasilien Weltmeister geworden ist.

Der Saisonstart für die deutsche Nationalmannschaft verlief ein wenig stotternd

Auch wegen der vielen Ausfälle ist der Start der Nationalmannschaft in die neue Spielzeit ein wenig stotternd verlaufen. Dem 2:4 gegen Vizeweltmeister Argentinien folgte gegen die Schotten ein Erfolg, der erkennbar mit großer Mühe verbunden war. Einer ansehnlichen ersten Halbzeit, in der die Deutschen ihren Gegner klar dominierten, folgte in der zweiten ein massiver Einbruch. „In der ersten Hälfte hatten wir einen ordentlichen Spielfluss“, sagte Löw. „Nach der Pause sind wir in der Defensive ein bisschen geschwommen.“ Die Konzentration ließ nach, die Laufbereitschaft schwand und damit auch die Kompaktheit in der Defensive. Die Schotten fanden bei ihren Angriffen kaum weniger Raum vor als die Argentinier zuvor.

„Ich hatte erwartet, dass es schwer werden wird“, sagte Löw. Diese Erfahrung hat er bei den Länderspielen im August und September schon häufiger gemacht, gerade nach einem großen Turnier, wenn seine Spieler wenig Urlaub hatten und nur eine verkürzte Vorbereitung absolvieren konnten. In den vergangenen fünf Jahren hat die Nationalmannschaft nur einmal das erste Spiel nach der Sommerpause gewonnen. Auch deshalb floss die künstlerische Note diesmal nur bedingt in die Bewertung des Bundestrainers ein. Joachim Löw war auch so zufrieden, „zufrieden mit den drei Punkten“.

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