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Markus Babbel, 38, spielte unter anderem für Bayern München, den FC Liverpool und 51-mal für die Nationalmannschaft. Nach seinem ersten Trainerjahr in Stuttgart übernahm er 2010 Hertha BSC. Dort schaffte er den Bundesliga-Aufstieg.

© dpa

Markus Babbel im Interview: "Ich bin noch kein hundertprozentiger Herthaner"

Markus Babbel startet heute in seine erste Bundesliga-Saison mit Hertha BSC. Der Trainer spricht über die Grenzen der Identifikation, Wikinger-Tattoos, Krimis und Nudeln um zehn Uhr früh.

Herr Babbel, Sie schauen sich auch privat viel Fußball an, Bundesliga, Champions League, Copa América, Frauen-WM ...

Fußball ist nun mal mein Hobby. Ich schalte immer ein, wenn ich die Möglichkeit habe. Nur zu Hause bei der Familie schauen wir auch mal etwas anderes, sonst wird da gestreikt.

Wie lautet die Forderung der Gegenseite?

Krimis. Wir schauen wahnsinnig gern Krimis an, Sonntag ist bei uns traditionell „Tatort“-Zeit. Aber sonst versuche ich schon, viel Fußball zu schauen, weil man dann anders beobachten kann. Man steht nicht unter Druck und sieht, wie sich andere Mannschaften verhalten, wie der ganz große Fußball gespielt wird. Es ist normal, dass man sich weiterbildet.

Was ist Ihnen aufgefallen? Wie haben sich der große Fußball und die Bundesliga verändert, in dem Jahr, in dem Sie und Hertha nicht dabei waren?

Früher war es so, dass die Mannschaften großen Wert auf Ballbesitz gelegt haben. Mittlerweile lassen sich wahnsinnig viele Teams fallen, verteidigen extrem gut und kompakt, versuchen dann über Balleroberungen schnell nach vorne zu kommen. Du musst mittlerweile nicht mehr öfter den Ball haben, um zu gewinnen. Ein Beispiel ist Hannover. Die waren mit dieser Spielweise vergangene Saison unglaublich erfolgreich.

Wie muss sich Hertha in der Bundesliga dem höheren Niveau anpassen?

Wenn wir so weiterspielen, wie wir in der Zweiten Liga gespielt haben, dann bekommen wir große Probleme. Wir müssen physisch und taktisch zulegen. Die Ansprüche steigen.

Auch an Sie persönlich?

Wir versuchen im Trainerstab, als Vorbilder voranzugehen, den Jungs ein gutes Training anzubieten, immer offen für Neues zu sein. Mein Kotrainer schaut und hört sich ständig um, das Gleiche mache ich natürlich auch.

Bei Herthas Aufstieg bemängelten Kritiker, viele Spiele seien nur über die Qualität gewonnen worden, es fehle ein klares Konzept. Wie lautet denn Ihre Idee vom Spiel?

Das ist nicht immer so einfach. In der Zweiten Liga haben sich wahnsinnig viele Mannschaften hinten reingestellt, da mussten wir einen brutalen Aufwand betreiben. Und dann stimmte die Fitness am Anfang der Saison nicht.

Aber was zeichnet eine Babbel-Elf aus? Der Wille?

Der Wille zu gewinnen, ja. Aber das ist auch eine Qualitätsfrage. Für eine Spielphilosophie braucht man auf Dauer auch Leute, die sie perfekt umsetzen. Man darf nicht vergessen: Michael und ich haben eine komplett neue Mannschaft zusammenstellen müssen, teilweise kannte ich die Spieler gar nicht, speziell die jungen. Trotzdem haben wir eine homogene Einheit hinbekommen, die es geschafft hat, souverän aufzusteigen.

Vor einem Jahr nahmen Sie sich Ihren Ohrstecker heraus, um seriöser zu wirken. Nun haben Sie sich ein Wikinger-Tattoo, eine Hertha-Fahne, auf den Oberarm stechen lassen. Wie passt das zusammen?

Bei dem Tattoo ging es ganz allein um mich. Ich bin der, der sich das anschaut und denkt: Hey, das schaut geil aus, darum mache ich das. Damals wurde mir von Leuten, die mir wohlgesonnen sind, geraten: Lass das mit dem Ohrstecker. Im Nachhinein würde ich das nicht mehr machen, weil ich sage: Ich bin Markus Babbel, ich bin so, wie ich bin, akzeptiert es so oder lasst es bleiben.

Ist das eine Lektion aus den ersten Trainerjahren: authentisch zu bleiben?

Ach, ich denke, ich war schon immer so. Klar, jetzt hat man sich etwas erarbeitet und wird ein bisschen cooler und sagt: Das ist ein Teil von mir, das gehört dazu.

Ihre Familie zieht nicht nach Berlin, weil Ihre Tochter eingeschult wird und als Trainer in drei Monaten alles vorbei sein kann, wie Sie sagten. Andererseits lassen Sie sich ein Vereins-Tattoo für die Ewigkeit stechen. Wie viel Identifikation kann man sich in dem Geschäft erlauben?

Ich habe alle meine Vereine auf meinem Körper verewigt, weil jeder Verein seine eigene Geschichte hat. Mir ist auch klar, dass ich nach einem Jahr nicht behaupten kann: Ich bin hundertprozentiger Herthaner. Da gibt es Fans, die gehen seit klein auf in dieses Stadion, für die gibt es nur diesen Verein. Aber in Berlin haben wir etwas Tolles geschaffen, was uns immer verbinden wird.

Ist das Tattoo denn beliebig erweiterbar?

Natürlich (lacht). Wer weiß, ob ich irgendwann auf 16 Vereine komme? Aber ich habe ja noch Körperstellen, die noch nicht tätowiert sind.

Was glauben Sie, hat die Zweite Liga Hertha gebracht?

Der Berliner ist ja nicht unbedingt dafür bekannt, dass er sehr demütig ist, eher dafür, laut zu sein und eine große Schnauze zu haben. Ich hoffe, dass wir gelernt haben, bescheiden zu sein, dass es harte Arbeit wird, die Klasse zu halten und wieder nach oben zu kommen, dass man Geduld haben muss. Was mich fasziniert hat, war wie in der Zweiten Liga Verein, Mannschaft und Fans wieder eins geworden sind. Es wäre mein Wunsch, dass wir das beibehalten, sonst wird es extrem schwer.

Worauf freuen Sie sich persönlich am meisten in der Bundesliga?

Auf die Stadien, diese großen tollen Arenen, die voll sein werden, auf Freitagabendspiele bei bester Luft. Und nicht mehr diese komischen Anstoßzeiten wie in der Zweiten Liga.

Wie meinen Sie das?

Teilweise haben wir freitags gespielt und dann zehn Tage Pause gehabt bis zum nächsten Montagsspiel. Oder samstags um ein Uhr gespielt oder sonntags um halb zwei. Daran muss man sich erst mal gewöhnen: aufzustehen, spazieren zu gehen und dann direkt eine Art Brunch zu haben, mit Nudeln um zehn Uhr morgens. Wir haben uns dann erst mal bei Ernährungswissenschaftlern erkundigt und bei Trainerkollegen. Aber jetzt heißt es endlich wieder samstags, 15.30 Uhr. Das ist halt Bundesliga, im Stadion, im Radio, da muss die Hertha vertreten sein.

Das Gespräch führte Dominik Bardow.

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